„Great Voices“ ohne die Träne im Knopfloch

 Joseph Calleja
Joseph Calleja(c) Wiener Konzerthaus
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Tenor Joseph Calleja wurde im Wiener Konzerthaus seinem Ruf erst mit Verzögerung gerecht.

Standing Ovations für Zugaben wie Leoncavallos „Mattinata“, „O sole mio“ und, gleich zweimal, Sorozábals „No puede ser“: Die Wiederkehr Joseph Callejas bedeutete Glückseligkeit für seine Fans. Diese setzen sich offenbar nicht nur aus den üblichen Opernliebhabern, Melomanen und Stimmfetischisten zusammen, die in Wien zwischen Ring, Naschmarkt und Gürtel ihrer Leidenschaft frönen, sondern kommen auch aus Bereichen außerhalb dieses Kernpublikums – in dieses Segment will der illustre Abonnementzyklus „Great Voices“ ohnehin vordringen.

Bereits das fünfte Jahr schickt Universal vorzugsweise die bei ihr unter Vertrag stehenden Zugpferde in das Konzerthaus: In dieser Saison waren bisher Rolando Villazón und Cecilia Bartoli zu erleben, Diana Damrau und Jonas Kaufmann kommen im Frühling. Nun: „The Golden Voice“ – eine vollmundige Ankündigung, welcher der maltesische Tenor immerhin partiell gerecht werden konnte.

Die Einschränkung ist teilweise wohl deshalb nötig, weil der italienische Dirigent Paolo Bressan erst am Aufführungstag als Einspringer für Frédéric Chaslin nach Wien gekommen war und sich manche Arie oder Canzone erst noch auf dem Weg zu einer sensibel durchgearbeiteten Begleitung befand: Bressan dämpfte die durchaus wackeren Brünner Philharmoniker nicht durchwegs auf jene Piano- oder erträglichen Fortegrade, die Calleja erlaubt hätten, an allen zarten und auch an den opulenten Höhepunkten stets durchzukommen. Zu den Stärken dieser eher an historischen denn an zeitgenössischen Vorbildern geschulten Stimme zählte ja von Anfang an die Fähigkeit zur wohlgeformten Phrase, zu „Messa di voce“- und Diminuendo-Effekten.

Draufgängerischer Impetus

Manch fein zurückgenommenen Schlusstönen zum Trotz wirkte Calleja jedoch immer wieder etwas kurzatmig, klang rau und versuchte eher, durch draufgängerischen Impetus als durch gesangliche Noblesse zu punkten – ob nun im „Questa o quella“ des „Rigoletto“-Herzogs, den er dem Vernehmen nach in der nächsten Saison auch an der Staatsoper geben wird, im „Ah! lève-toi, soleil“ von Gounods Roméo oder in Hoffmanns Ballade vom Kleinzack. Bei Tostis „Ideale“ müsste die sprichwörtliche Träne im Knopfloch hörbar werden: Da fehlte neben der Fähigkeit zur großen Steigerung ein konzentrierter, schön geformter Pianoklang.

Aus der Arienfolge eine Parade unterschiedlicher Figuren zu machen, wollte Calleja erst mit Verzögerung gelingen: Bei der Maurizio-Arie aus Cileas „Adriana Lecouvreur“, noch mehr beim Lamento des Federico aus „L'Arlesiana“ und schließlich als dem Tod ins Auge blickender Cavaradossi traf er dann über die Töne hinaus auch den rechten charaktervollen Ton.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2015)

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