Johannes Wildner: „Weltumspannend“

 Johannes Wildner
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Johannes Wildner, Intendant und Dirigent, über die Festspiele Gars und Wiener Zeitgenossen in China.

Johannes Wildner ist einer jener österreichischen Musiker, die überall Karriere machen, nur nicht zu Hause. Als ehemaliges Mitglied der Philharmoniker hat es der Dirigent offenbar doppelt schwer. Immerhin: Seit dem Vorjahr kann er als Intendant des Opernfestivals von Gars am Kamp seine Erfahrungen auch daheim ins Musikleben einbringen. Nach dem „Freischütz“, schon vor seiner Amtszeit geplant, gibt es im Sommer Verdis „Don Carlos“ – und es ist das Ziel Wildners, die Chance zu nutzen, die das pittoreske Ambiente bietet: „Jede unserer Neuproduktionen wird die Burg zum Hauptdarsteller machen.“ Wobei das Wort „Neuproduktionen“ bewusst gewählt wird, denn in den vergangenen Jahren hat Gars vor allem Inszenierungen aus dem benachbarten mährischen Raum eingekauft.

„Wir haben“, erzählt Wildner, „schon 2014 neue Strukturen aufgebaut und produzieren die Ausstattung nun selbst. Die Burg fügt sich in unsere Programmplanung wunderbar ein, sei es bei ,Otello‘ 2016, oder ,Tannhäuser‘ aus Anlass des Luther-Jahres 2017: Der spielt ja in der Wartburg.“ Historische Assoziationen führen bei Johannes Wildner stets zu sprudelnden Exkursen über kulturelle Verbindungen, quer über den Erdball und durch die Zeiten. Einen musikalisch wie kulturgeschichtlich gleichermaßen firmen Interpreten wird man nicht schnell finden. Dass Gars der Geburtsort von Leopold dem Heiligen ist, fließt wie selbstverständlich so nebenher ein.

Wer mit Wildner spricht, entdeckt bald, dass sein Image quer zur Realität steht: „Ich war“, sagt er selbst, „punziert als Orchestermusiker und Johann-Strauß-Spezialist, als ich aus Österreich weggegangen bin.“ Nach vielen Auftritten und CD-Aufnahmen als Walzer-Kapellmeister mochte man dem Dirigenten kaum „höhere“ Aufgaben zutrauen. Dabei hat er in Leipzig mehr als ein Dutzend Opernproduktionen einstudiert und als symphonischer Dirigent nicht zuletzt in Deutschland und England ein breites Repertoire erarbeitet und als CD eingespielt.

Kenner schätzen seine Aufnahmen, die er unter anderem als Guest Conductor des BBC Concert Orchestra, aber auch – diese Verbindung zur Heimat blieb aufrecht – mit dem Wiener RSO gemacht hat: Gesamtaufnahmen des symphonischen Werks des Richard-Strauss-Zeitgenossen Walter Braunfels, die Symphonien des oberösterreichischen Meisters Johann Nepomuk David, einiges von Erich Zeisel und Joseph Marx: „Da ist große Musik zu entdecken“, sagt Wildner, jenseits aller historischen Verwerfungen und Katastrophen, die den Blick auf die künstlerischen Aspekte verschüttet haben.

Von Verona bis zum Fernen Osten

Für solche Aufgaben ist Wildner der rechte Mann, denn er denkt auch die Umstände mit – und kann sie den Orchestermusikern wie dem Publikum anschaulich erläutern. Fürs klassisch-romantische Repertoire führt ihn der Weg oft in italienische Häuser von Genua bis zur Arena von Verona. Und nach Fernost. Vor allem in China hat Wildner gelernt, wie sich Mozart, Beethoven oder Gustav Mahler in völlig andere Kulturen verpflanzen lassen.

Wobei der neugierige Analytiker erstaunliche Beobachtungen macht, zum Beispiel im Zuge eines kompletten Mahler-Zyklus in Peking: „Eine interessante Erfahrung ist, dass gerade die Musik von Mahler in China besonders gut ankommt. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, woran das liegen könnte, und ich glaube, es liegt an Mahlers weltumspannendem Denken; und es hat mit der starken Betonung und der speziellen Behandlung der Schlaginstrumente zu tun.“

Als Wildner mit dem RSO jüngst eine China-Reise absolvierte, nahm er denn einige der zeitgenössischen Jubiläumsminiaturen als Zugaben mit, „etwa von Johanna Doderer oder Peter Androsch, die vom Schlagzeug reichlich Gebrauch machen. Gegen alle Unkenrufe sind diese Stücke neben Beethovens Fünfter am besten angekommen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2015)

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