Bestürzende „Götterdämmerung“

Goetterdaemmerung
Goetterdaemmerung(c) Landestheater Linz
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Musiktheater Linz: Der „Ring des Nibelungen“ ist komplett: Regisseur Uwe Eric Laufenberg zeigt unser aller Ende in naher Zukunft, Dennis Russell Davies erzielt am Pult noble Größe.

„Nun, Nothung, zeuge du, dass ich in Züchten warb“, behauptet Siegfried, als er in Gunthers Gestalt Brünnhilde überwältigt und ihr den Ring entrissen hat. Regisseur Uwe Eric Laufenberg nimmt ihm die Beteuerung aber keine Sekunde lang ab, entlarvt sie stattdessen als das höhnische Lippenbekenntnis eines skrupellosen Karrieristen, der alles nimmt, was er kriegen kann: In seiner Inszenierung der „Götterdämmerung“ knöpft Siegfried sich im nächsten Moment die Hose auf und missbraucht die Ohnmächtige zu den düster schneidenden h-Moll-Klängen am Schluss des ersten Aufzugs. Es war ein bestürzender, ja sogar der stärkste Moment in dieser zuletzt einhellig und dankbar gefeierten Deutung, mit welcher Wagners „Ring des Nibelungen“ im Linzer Musiktheater nun komplett ist.

Hagens Trick mit dem Vergessenstrank hin oder her, Siegfried zählt hier also klar zu den Tätern: Der moderne Mensch von morgen, der alle Ressourcen nicht nützt, sondern ausnützt, über Leichen geht und blind dem eigenen Untergang entgegenarbeitet. Laufenberg hat die Tetralogie ja durch die Epochen springend erzählt, im nomadischen Altertum begonnen, die „Walküre“ im Weltkriegsambiente angesiedelt, mit dem „Siegfried“ die vom Kapitalmarkt beherrschte Gegenwart erreicht und zeigt nun in Gisbert Jäkels klassisch-modern inspiriertem Bühnenbild zum Schluss in einer großen Dystopie den Untergang unserer Zivilisation mit Nuklearraketen, Atompilzen und Naturkatastrophen (Video: Falko Sternberg). Eine einzelne Überlebende tappt schließlich barfuß auf die Bühne, eine junge Frau, die ein Fernrohr ins Publikum richtet – die Hoffnung auf einen neuen Anfang. Das mag bisweilen etwas zu gegenständlich konkret und plakativ in den Visualisierungen wirken, kann sich aber sehen lassen – und ist immer nah am Text gearbeitet. Manchmal fast zu nah. Denn problematisch wird es dort, wo Laufenberg glaubt, die in Erzählungen vorkommenden Personen auf die Bühne holen zu müssen. Ob bei seiner neuen Wiener „Elektra“, die am 29.März Premiere hat, der tote Agamemnon auch szenisch präsent sein wird?

Stumm kauert der Göttervater

Gewiss, Harry Kupfer hat einst Wotan gestattet, Siegfried die letzte Ehre zu erweisen. Das wirkte jedoch ungleich bewegender als der hier im ersten Aufzug müd einherstapfende oder stumm kauernde Göttervater (diesmal ein stummer Edelstatist: Gerd Grochowski): Eine so intensive, sonore Waltraute wie Bernadett Fodor hat dergleichen illustrierende „Hilfe“ nicht nötig. Und dass der obdachlose Alberich, dessen nächtliche Einflüsterungen Björn Waag mit prägnanter Diktion vorträgt, auch noch eine ebenso abgerissene Gefährtin im Schlepptau hat, offenbar Hagens Mutter Grimhild, die den gemeinsamen Sprössling tätschelt, lenkt nur von den Manipulationen des Vaters ab. Solchen szenischen Übertreibungen setzte Dennis Russell Davies am Pult des Bruckner Orchesters Linz vor allem ruhig aufgebaute, symphonische Entwicklungen entgegen. Zugegeben, rhythmisch wackelte es am Premierenabend zwar immer wieder, doch die geballte Komplexität der Partitur liegt dem Chefdirigenten mehr als etwa der immer wieder vergleichsweise nackte Konversationston des „Rheingolds“: Mit differenziertem, bei aller Kraft niemals brachialem Klang gelang ein würdiges Finale des „Rings“, zu dem auch der brave Chor das Seine beitrug.

Erfreuten die wohllautenden Terzette der Nornen und Rheintöchter, muss sich auch ein Haus wie Linz bei den Hauptpartien hörbar nach der Decke strecken. Als „Götterdämmerung“-Brünnhilde konnte Elena Nebera ihre schwache, gutturale Mittellage und Tiefe sowie Sprachschwierigkeiten bisher am besten überspielen und mit gut funktionierender Höhe punkten; Lars Cleveman gab sich daneben als immerhin robust-belastbarer Siegfried keine Blöße. Körperlich und stimmlich überragt wurden sie jedoch von Albert Pesendorfer, der Hagens Gefährlichkeit glaubwürdig hinter anfangs fast jovialer, aber bald bröckelnder Fassade versteckt: Seine Gier stirbt zuletzt.

Noch am 15.2., 22.3., 25.4; komplette „Ring“-Zyklen ab 13.2., um Ostern und ab 8.5.: www.landestheater-linz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2015)

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