Bellinis Puritani, auch stimmlich nüchtern

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Olga Peretyatko wagt sich in die Fußstapfen der Gruberová, John Tessier in die Tenorstratosphäre.

Die Liebe ist gegenseitig, doch schert Lord Arturo Talbo auf dem Weg zum Traualtar aus, um alter Loyalität wegen die Witwe des hingerichteten Königs zu retten. Die Braut, die Puritanertochter Elvira, verfällt darauf in jenen Wahnsinn, der in der italienischen romantischen Oper aufs Schönste grassiert und manisch-depressive Zustände in melancholische Kantilenen sowie exaltierte Koloraturketten übersetzt. Eine Glanzpartie der Edita Gruberová: 1994 errang sie in der Premiere von „I puritani“ in John Dews zweckmäßiger, durch manchen Lichteinsatz stimmungsvoller Regie einen rauschenden, bis 2010 oft wiederholten Erfolg, den bisher keine Kollegin relativieren konnte.

Brio statt vokaler Glanzlichter

Auch wer vor der 59. Staatsopernaufführung mit einer fast durchwegs neuen und jungen Besetzung große Erwartungen hegte, war zuletzt doch leise enttäuscht – obwohl das Publikum Anlass zu teils begeistertem Jubel fand. Immerhin spielt das Orchester Werke des Belcanto-Repertoires beileibe nicht stets mit solcher Hingabe wie unter Marco Armiliato: Er dirigierte Bellinis vielleicht opulenteste Partitur mit einer Prise mehr Brio als gewöhnlich, konnte damit das Fehlen vokaler Glanzlichter jedoch nicht wettmachen.

Dabei eilt etwa der selbstbewusst-mädchenhaften Olga Peretyatko ein beachtlicher Ruf voraus. 2013 debütierte sie in Wien als Gilda und sang in Salzburg eine glänzende Giunia in Mozarts „Lucio Silla“. Die Stimme ist hell, wendig und ausgeglichen, erinnert in den besten Momenten von fern an das Timbre der Cotrubas – und man darf sich auch einer Partie wie der Elvira von der leichteren Seite nähern. Doch ihre Höhe wollte nicht recht aufblühen, mit dem angepeilten hohen Es am Ende der Wahnsinnsszene mühte sie sich gar ab. An Brillanz, Volumen und dramatischer Kraft war da noch einige Luft nach oben.

Apropos oben: John Tessier stieg als Arturo gar in die Tenorstratosphäre zum oft umgangenen hohen F auf. Würde nicht konstant leidendes Phlegma seinen etwas spröden Klang bestimmen, könnte er damit vielleicht mehr als bloße Verwunderung hervorrufen. Jongmin Park war der schlank, aber differenziert tönende Giorgio. Als einziger Veteran der Besetzung gab der nach Stimmproblemen zum seltenen Gast gewordene Carlos Álvarez den Riccardo: dynamisch etwas einförmig, aber mit vornehm strömenden Phrasen, solange er keine explosiven Spitzentöne versuchte.

„I puritani“: 4., 6., 10. 3.; www.wiener-staatsoper.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2015)

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