Lobt Gott in der Klangekstase

(c) Clemens Fabry
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Die Tschechische Philharmonie widmete sich mit dem Singverein zum Wochenende der "Glagolitischen Messe" von Janáček.

Hie und da erweitert sich das Repertoire quasi von selbst. Leoš Janácěks „Glagolitische Messe“ zählte über lange Jahre zu den Geheimtipps; in jüngster Zeit aber hat das Stück Hochkonjunktur und scheint mit einem Mal zum Standardrepertoire zu gehören. Da ist es gut, zwischendurch die Probe aufs Exempel zu machen und sich die Musik quasi in der Landessprache vorführen zu lassen: Gewiss, der Singverein (von Johannes Prinz gewohnt sorgfältig vorbereitet) singt die altslawischen liturgischen Texte seit Jahr und Tag „original“.

Aber die Orchester bewegen sich in aller Regel bei Janáček auf fremdem Terrain. Zumal seit den Bemühungen von Charles Mackerras nicht einmal mehr jenen Buchstaben zu trauen ist, denen man sich durch die Druckausgabe der Universal Edition früher mühevoll anzunähern trachtete. Wo einmal rhythmisch die Reibung zwischen Achteln und Triolen das höchste der Gefühle war, sind nun nach des Komponisten ursprünglicher Willensbekundung Quintolen gegen Septolen zu führen – und das kann gehörig nach „glagolitischem Gulasch“ klingen, wie man zuletzt des Öfteren erfahren musste.

Nicht so freilich bei der Tschechischen Philharmonie, die in ihrem zweiten Musikvereinsprogramm die Messe in der revidierten Version vorstellte. Vielleicht ist da ja viel Einbildung dabei, aber mir will doch scheinen, dass unter den Händen der böhmischen und mährischen Musikanten Janáčeks Klangvokabeln natürlicher tönen, als man sie hierzulande sonst serviert bekommt.

Jedenfalls wirkte die Wiedergabe unter Jiři Bělohlávek wie aus einem Guss. Die kühnen, oft jäh und unvermittelt herausgeschleuderten Emanationen des Gotteslobs, die grellen Zeichnungen der Leiden Christi im „Credo“, die ätherisch schwebenden Akkorde im „Sanctus“ klangen in den besten Momenten geradezu ekstatisch. Daran hatten die Solisten ihren Anteil, vor allem der leuchtende Sopran von Hibla Gerzmava und der unerschrocken allen extremen Höhen trotzende Tenor von Brandon Jovanovich. Organistin Daniela Vatová doppelte in der stürmischen Passacaglia noch nach, sodass auf die abschließende „Intrada“ der Tschechischen Philharmonie lauter Jubel folgte.

Nachhilfe in böhmischem Repertoire

Dass das reiche Wiener Musikleben auch in Sachen tschechischen Repertoires noch Nachhilfe brauchen kann, zeigten die expressionistischen Erfahrungen des „Mahnmals für Lidice“ und der Sechsten Symphonie von Bohuslav Martinů vor der Pause: Dergleichen sollte regelmäßig zu hören sein. Mustergültige Interpretationen hätte man jetzt einmal gehört; es wäre spannend zu erleben, was andere Dirigenten und Orchester aus diesen ausdrucksstarken Vorlagen zu machen wissen...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2015)

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