Wo sich Boulez und Strauss doch treffen

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Das RSO Wien mit einer Leistungsschau im Musikverein. Brillieren durften vor allem die Bläsersolisten.

Ein gutes halbes Jahrhundert liegt zwischen der Komposition von Richard Strauss' „Symphonia domestica“ und Pierre Boulez' „Figures – Doubles – Prismes“, die den End- und Anfangspunkt des Konzerts des RSO Wien am Donnerstag im Wiener Musikverein markierten. Die tatsächliche Distanz wäre eher in Lichtjahren zu messen, weiter können zwei Stücke kaum voneinander entfernt sein: Bei Boulez, dem großen Erneuerer, dessen 90. Geburtstag gefeiert wurde, die von serieller Technik geprägte Kargheit und (Selbst-)Beschränkung; bei Strauss das Ausreizen des symphonisch Möglichen, die Klang gewordene Überwältigung, das Vollbad in einem von acht Bässen grundierten Orchestermeer. Und doch gab es einen Berührungspunkt, einen roten Faden, der auch das deutlich kleiner besetzte „Konzert für sieben Bläser, Pauken, Schlagwerk und Streichorchester“ von Frank Martin als mittlere Perle auffädelte: Alle drei Komponisten erweisen sich, bei allen sonstigen Unterschieden, als große Meister der Instrumentierung.

Leichtfüßig trotz Opulenz

Boulez' gewiefte – und manchmal durchaus auch gewitzte – Art, die klanglichen Möglichkeiten der einzelnen Instrumente zu nutzen, ist vielleicht der beste Schlüssel zu diesem von seiner Struktur her ja nur schwer zu „erhörenden“ Stück. Zumal der Komponist auf Transparenz großen Wert legte, die vom RSO Wien und seinem das Werk organisierenden Chefdirigenten, Cornelius Meister, auch mustergültig umgesetzt wurde.

Eine geradezu kammermusikalische Durchhörbarkeit regierte dann Martins „Konzert“, wobei die sieben Bläsersolisten hier im Grunde nichts anders tun als in jedem anderen Orchesterwerk auch: stellenweise solistisch hervor-, immer wieder aber auch ins Kollektiv zurückzutreten. Jedenfalls eine gute Gelegenheit für das RSO, die Aufmerksamkeit auf seine famose Bläserriege zu richten, die bei Strauss gleich noch einmal glänzen durfte. Cornelius Meister gelang eine bei aller Opulenz leichtfüßige, die Schwerkraft der Riesenbesetzung mühelos überwindende Darstellung in einem scheinbar endlosen, nie versiegenden Strom, die Klang gewordene Antithese zu Boulez. Die Synthese war lang anhaltender Applaus. (hd)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2015)

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