Oper für Kinder: Gewühlswogen

(c) Staatsoper/Pöhn
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Johannes Wildner, Dirigent der „Undine“-Premiere im Zelt auf dem Dach der Wiener Staatsoper, über Probleme mit der Romantik und deren ungebrochene Aktualität.

Albert Lortzing, einst höchst populär, spielt im heutigen Opernbetrieb kaum mehr eine Rolle. Für Kinder wird nun seine „Undine“ ins Staatsopernzelt verpflanzt. Geht Lortzing plötzlich wieder? Und das Märchen von Undine? Dirigent Johannes Wildner: „Vielleicht sollte man noch die dritte Frage stellen: Oper? Dann sind es leichte Fragen: Oper ist jene Kunstform, bei der die meisten verschiedenen künstlerischen Ausdrucksformen miteinander verknüpft werden, Musik und Gesang, Tanz, Architektur, Bühnenbild, Kostüme. Keine anderen Kunstform bedient so viele Empfindungen des Menschen, lässt ihn eintauchen in ein großes Reich der Fantasie. Lortzing steht an den Anfängen der deutschen romantischen Oper. Ohne ihn ist Wagner nicht zu denken. Wenn uns seine Welt heute lieblich oder naiv erscheint, dann scheint mir das auf einen grundsätzlichen Defekt unserer Betrachtungsweise der deutschen Romantik zurückzuführen zu sein: Diese Epoche war weder lieblich noch naiv!“

Die Wahrheit über die Romantik

Woher dieser Defekt rührt? „Der Nationalsozialismus hat uns einen bestimmten Blick auf diese Kunstepoche aufgezwungen und anerzogen. Darunter leidet unsere gesamte Sicht auf die deutsche Romantik, auf Schumann und Mendelssohn, auf E. T. A. Hoffmann und Eichendorff.“
Wobei, so Wildner weiter, dieses Aufgezwungene zwar vorbei sei, das Anerzogene stecke freilich noch für Generationen in uns: „Wir müssen an der Wiederherstellung der wirklichen Gestalt der Kunst der nachnapoleonischen Zeit arbeiten.“

„Undine“ handelt von der Unvereinbarkeit zweier Welten. Wildner: „Unsere Gegenwart leidet permanent und überall an Unvereinbarkeiten verschiedener Welten. Lortzings Oper zeigt die Abgründe der menschlichen Seele, die sich auftun, wenn man versucht, so eine Unvereinbarkeit zu missachten.“

Damit sei das Stück für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen geeignet. Kinder, meint Wildner, brauchten keine „anderen Kunstwerke als Erwachsene“. Nötig sei lediglich eine spezielle Präsentationsform: „Das ist wie mit der Nahrung. Kinder brauchen keine andere Nahrung als Erwachsene, aber eine andere Form der Darreichung.“

So wird „Undine“ nur etwa eine Stunde dauern. Sie wurde nicht einfach gekürzt. Vielmehr hat der Komponist Tristan Schulze, „der viel Erfahrung mit der kindlichen Seele und ihren Bedürfnissen nach Kunst hat“, die Geschichte neu erzählt. „Einfach, klar, schnörkellos“ nennt der Dirigent die neue Partitur. Schulze habe „einerseits das thematische Material von Lortzing herangezogen, andrerseits auch eigene Ideen eingebracht“. Ohne Dialoge wird man dennoch der Handlung besser folgen können als im Original, „denn der Handlungsstrang ist linear freigelegt, nicht vielfältig verworren und kompliziert – ein Problem mancher Oper, nicht nur aus dieser Epoche!“

Ganz nah dran an den Geistern

Die Enge des Kinderzelts betrachtet Wildner als Vorteil: „Sie führt die Besucher ganz nah ans Geschehen. Regisseur Alexander Medem nützt diese Situation gekonnt aus. Er inszeniert ,Undine‘ poetisch, ästhetisch, spannend, feinfühlig, sehr detailliert in der Personenführung und in jeder Phase enorm kindgerecht. Bisweilen hat man den Eindruck, dass man selbst ganz nass wird, wenn man mit Kühleborn, dem Fürsten des Meeres, hinabtaucht in die Fluten.“

Zur Person

Johannes Wildner, gebürtiger Steirer, war nach seinem Studium Mitglied der Wiener Philharmoniker, wechselte auf das Dirigentenpodium und leitete unter anderem die Neue Philharmonie Westfalen. Er dirigiert die Premiere „Undine“ im Kinderzelt auf dem Staatsoperndach am 18. April (Regie: Alexander Medem, Fassung: Trstian Schulze). www.staatsoper.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2015)

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