Musikverein: Brahms, einmal beherrscht, einmal drängend

(c) Clemens Fabry
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Das Duo Kavakos/Wang spielte die Violinsonaten recht zurückhaltend, abstrakt. Frank Peter Zimmermann zeigte beim Violinkonzert, dass er bei Brahms einem anderen Ideal folgt: dem des Gesangs.

Kontrolle, Beherrschung, Zurücknahme: Das sind die wesentlichen Eindrücke, wenn der Geiger Leonidas Kavakos und die Pianistin Yuja Wang die drei Violinsonaten von Johannes Brahms interpretieren. Schon ihre 2014 erschienene CD-Einspielung gehorcht diesem Prinzip eines zwar intimen, aber nie die Contenance verlierenden Vortrags. Große Vorsicht und Skrupel walten im Umgang mit dem Notentext – fast als gelte es, dem Komponisten nicht zu nahe zu treten, ihn nicht einer deplacierten Gefühlsaufwallung zu überführen. Selbst dann nicht, wenn er im langsamen Satz der ersten Sonate eine Art Trauermarsch anstimmen lässt – zum Andenken an sein Patenkind Felix Schumann, Claras jüngsten Sohn, der mit nicht einmal 25Jahren an Tuberkulose starb. Statt Brahms' ohnehin eher verklausulierte Emotionalität ein Stück weit zu entschlüsseln, betonen Wang und Kavakos seine Zurückhaltung noch. Das führt zu immer wieder etwas distanziert anmutenden Interpretationen, die nun auch im (hierfür leider nicht idealen) Goldenen Saal zu erleben waren.

Im eröffnenden Allegro amabile der zweiten Sonate gelang es der pianistisch anschmiegsamen Wang und dem stets den musikalischen Dialog suchenden Kavakos sogar, eine Ahnung von Geheimnis zu verbreiten. Doch so richtig aus der Reserve locken ließen sich die beiden auch in der dritten Sonate nicht: Schönheit und Genauigkeit gingen stets vor.

Ihre Fortsetzung fanden die Brahms-Erkundungen im Musikverein in der Sonntagsmatinee: mit dem Violinkonzert, in dem – nach Kavakos in der letzten Woche – nun sein deutscher Kollege Frank Peter Zimmermann als Solist zu hören war.

Er folgt bei Brahms einem anderen Ideal: dem des Gesangs. Wo Kavakos eher instrumental denkt und gleichsam abstrakt musiziert, dort füllt Zimmermann die Kantilenen des Violinkonzerts mit vielen Portamenti und mehr Vibrato aus, ohne dabei bloß auf Oberflächenpolitur zu achten. In der Joachim-Kadenz kann auch er vergleichsweise ruppige Töne anschlagen, spielt aber insgesamt zielstrebiger, drängender.

Die Unterschiede setzten sich auch im Orchester fort: Was bei Christoph Eschenbach und den Wiener Philharmonikern zuletzt wie in Erz gegossen wirkte, durfte am Sonntag beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Mariss Jansons organisch wachsen und manchmal fast unvermutet aufblühen. Mochte auch das berühmte Oboensolo im Adagio vor lauter Opulenz doch etwas mit zu selbstbewusster Attitüde aufgetreten sein, musizierten die Münchener Meister mit viel schlankerem, flexiblerem Klang als jüngst ihre Wiener Kollegen.

Strawinsky mit Drive und Witz

Das erwies sich auch in einer schlicht grandiosen Aufführung von Strawinskys „Petruschka“: So farbenreich und virtuos, detailverliebt, sauber und doch mit festlichem Drive sowie auch noch von herrlichem Witz durchpulst erklingt das von lustvoll deskriptiver Musik strotzende Ballett nur selten. Jansons erwies sich wieder als glänzender Animator, dem die Seinen mit aller Hingabe folgen. Lauter Jubel, unter den Zugaben neben opulentem Tschaikowsky („Nussknacker“-Pas de deux) auch noch das schmissige Finale aus Ligetis „Concert Românesc“: Da war alle Brahms'sche Zurückhaltung längst verflogen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2015)

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