Zauberoper mit Wassergeistern

(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Die letzte Produktion im Kinderzelt am Dach der Wiener Staatsoper: Die Inszenierung von Lortzings"Undine" kann auch Erwachsene begeistern.

Gruselig lässt Regisseur Alexander Medem die „Undine“ im Kinderzelt der Staatsoper beginnen. Der Fürst des Wasserreichs tritt vor den Vorhang. Schon seine Gestalt lässt erschaudern: Langer Bart, spitze Ohren, grüne, ledrige Finger und ein stechender Blick machen Kühleborn zum unnahbaren Herrscher. Er trägt ein dickes Buch mit sich, das die Geschichte der Nixe Undine erzählt. Als er es aufschlägt, werden Videobilder auf den Bühnenvorhang gebeamt: Sie geben – teils in Comicsprache, teils in alten Bildern – eine Vorahnung dessen, was in der nächsten Stunde passieren wird. In der Zwischenzeit kriechen unter dem Vorhang immer mehr dieser grünen, spitzen Finger hervor. Sie gehören den Wassergeistern (Kinder der Ballettakademie der Staatsoper), drolligen kleinen Wesen, die tanzen, toben und zusammen mit dem heimeligen Bühnenbild eine freundliche Atmosphäre herbeizaubern.

Auf eine Stunde gekürzt

Der kontrastreiche Auftakt zeigt gleich, worum es in Lortzings „romantischer Zauberoper“ geht: Der Wasserfürst weiß zu feiern und ausgelassen zu sein – aber er hält auch das Schicksal in seiner Hand. Und wenn es um seine Tochter Undine geht, versteht er keinen Spaß...

Tristan Schulze hat das dreistündige Original-Werk mit viel Detailsinn in eine einstündige Kinderfassung gebracht. Er hat die (gesprochenen) Dialoge gestrichen, die Handlung gestrafft und die Instrumentation verschlankt: Mit einem Streichquintett, einem Holzbläserensemble, Pauke, Schlagwerk und Harfe gelingt es ihm hervorragend, romantische Klangwelten aufleben zu lassen. Dirigent Johannes Wildner präsentiert mit dem ausgezeichneten Bühnenorchester der Staatsoper eine moderne, flotte Lesart der Partitur. Großen Anteil am Erfolg der Produktion gebührt auch Regisseur Alexander Medem: Er vermag (gemeinsam mit den fantastischen Kostümen von Constanza Meza-Lopehandia) die Kinder mit Details zu fesseln: Undine trägt ein Fischernetz als Hochzeitsschleier, vor einer Fotowand werden Polaroid-Hochzeitsfotos gemacht, und die Untreue Hugos wird mit dem knallroten Seestern-Ehering verdeutlicht, der von Undine zu Bertalda wandert.

Jedesmal, wenn Geschichten gesungen werden – etwa wenn Kühleborn Bertaldas Herkunft enthüllt oder Veit von der Ferne erzählt), helfen Videoinstallationen den Kleinen, den Faden nicht zu verlieren. Doch auch die Erwachsenen kommen auf ihre Kosten: Lortzings Oper, die in der Staatsoper noch nicht zu sehen war, handelt von Treue und Treubruch, Seele und Identitätsfindung, von Rache und letztlich vom Verzeihen. Medem stellt Undine eine Tänzerin (zauberhaft: Sandra Szelekovski) zur Seite, die ihren Schatten bzw. ihr Unterbewusstsein mimt. Und die ihr Alter Ego immer wieder berührt und auch loslässt. Denn auch darum geht es Medem: Um das Sich-loslösen-können und um das Nicht-loslassen-können, vom Elternhaus, vom Vater, von einer unglücklichen Liebe.

Aus Gummistiefeln wachsen Blumen

Das tolle Bühnenbild von Agnes Hasun punktet mit liebevollen Details (Gummistiefel, in denen Blumen wachsen), überdimensionalen Bilderrahmen und echten Seesternen, lässt aber genug Raum für die Fantasie. Und ist so wandelbar, dass auf der kleinen Bühne kaum Umbauarbeiten nötig sind: Im Handumdrehen wird aus der Fischerhütte Bertaldas Palast oder die Welt der Nixen und Wassergeister. Die Sänger der Premieren-Aufführung überzeugten durchwegs: Annika Gerhards als ätherische Undine, Carlos Osuna als wankelmütiger Ritter Hugo, der stimmgewaltige Tae-Joong Yang als Kühleborn sowie Lydia Rathkolb als kühl-berechnende Bertalda. Tadellos auch James Kryshak, Il Hong, Kindersopran Bernhard Sengstschmid und der Kinderchor des Hauses.

Weitere Vorstellungen: 25. April; 1., 2., 9., 14. und 24.Mai; 4. und 13.Juni.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2015)

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