Mia Zabelka: "Melodien finde ich penetrant"

Mia Zabelka
Mia Zabelka(c) Mia Zabelka
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Die Wiener Künstlerin erzählt im "Presse"-Gespräch über Geräusche und zeithistorische Dokumente, die sie zu musikalischen Kompositionen inspirieren - Klangkunststücken, wie sie beim ersten Wiener Festival "phonofemme" zu hören sind.

„Phonofemme“ nennt sich das erste „Internationale Klangkunstfestival“, das vom 21.bis 25.April im kleinen Wiener Kosmos-Theater stattfindet. Sie sind die Intendantin und selbst Künstlerin. Was wird Wiens Musikfreunde da erwarten?

Mia Zabelka: Es ist ein internationales Festival, bei dem vor allem Klangkünstlerinnen zu erleben sein werden. Ich habe dazu internationale Plattformen eingeladen, das „Deep Listening Institute“ von Pauline Oliveros aus New York und Zahra Manis „Mani D.O.O.“ aus Istrien. Für mich ist dabei interessant, dass drei Generationen vertreten sind. Pauline Oliveros, mittlerweile auch schon über 70, aber frisch und munter wie eh und je, sie war neben Roman Haubenstock-Ramati meine Lehrerin. Zahra Mani wiederum ist meine Schülerin. Spannend finde ich es auch, den Bogen von West nach Ost zu spannen. In den USA, aber auch im Osten machen die Klangkünstler ganz etwas anderes als wir.

Was muss man sich unter „Klangkunst“ eigentlich vorstellen? Jedenfalls keine normale musikalische Performance, kein Konzert. Obwohl es dort ja auch um „Klang und Kunst“ geht.

Das deutsche Wort ist vielleicht ein bisschen missverständlich. Englisch heißt es besser: „Sound Art“, eine Kunst, die sich mit dem Phänomen Klang auseinandersetzt. Mit Klang in allen Formen, dem akustischen wie dem elektroakustischen. Auch mit Klängen, die man etwa mit einem Aufnahmegerät aufzeichnen kann. Das konnte ja Mozart noch nicht. Deshalb hat er auch nicht mit Klängen des Alltags „komponiert“.

Die Klangkünstler gehen also auf die Straße, um Umweltgeräusche aufzunehmen?

Unter anderem ja. Die kann man dann bearbeiten, damit komponieren.

Ab wann ist etwas Klang-„Kunst“? Man könnte ja auch einfach Straßenlärm aufnehmen und abspielen.

John Cage hat diese Frage schon gestellt und beantwortet. Er hat es mit seinem Stück „4 Minuten 33 Sekunden“ auf einen extremen Punkt geführt. In diesem Sinn ist es auch Kunst, wenn nichts passiert. In unserem Fall werden die Klänge am Computer bearbeitet, gestaltet, in die räumliche Dimension gebracht. Das ist in Wahrheit ähnlich wie ein symphonisches Werk, nur das Material ist ein anderes.

Nun wird man wohl nicht irgendwelche zufällig generierten Klänge für eine solche „symphonische“ Arbeit verwenden. Sucht man für bestimmte Stücke ganz spezielle Klänge?

Man ist immer auf der Suche nach interessanten Klängen, nach „O-Tönen“. Wir operieren auch mit der eigenen Neugierde, Klänge zu entdecken und neu zu gestalten.

Was waren solche Entdeckungen?

Nachdem ich in der Steiermark lebe, habe ich die Klapotetzgeräusche für mich entdeckt. Die klingen unglaublich spannend. Wenn man damit arbeitet, ergeben sich polyrhythmische Strukturen à la Ligeti.

Was wird es von Mia Zabelka beim „phonofemme“-Festival zu entdecken geben?

Ein Stück, das auf einer Klanginstallation aufbaut, die ich für das Kunstradio gemacht habe. Da geht es um die sogenannten „Trümmerfrauen“, Zeitzeuginnen, die die Nachkriegszeit erlebt haben und von denen ich unglaubliche Dinge erfahren habe, die man aus den Büchern nicht mitbekommt. Die O-Töne dieser Interviews waren die Basis für das Hörstück. Die mittlerweile weltweit bekannte Videokünstlerin Katarina Matiasek und ich haben das jetzt weiterentwickelt. Wir haben uns mit den „Trümmerfrauen“, aber auch mit den Frauen in der Gegenwart auseinandergesetzt, Frauen im Irak, serbischen Nonnen – auch Frauen als Mittäterinnen, Terroristinnen zum Beispiel oder Selbstmordattentäterinnen. Der Film, der daraus entstanden ist, ist quasi die Partitur der Musik – eine grafische Partitur, wie wir das von Anestis Logothetis oder Roman Haubenstock-Ramati kennen.

Lässt man sich als Festivalgestalterin auf Überraschungen ein oder kennt man alles, was da vorgestellt wird?

Natürlich weiß ich, was die Künstlerinnen machen. Aber das gesamte Festival hat Laboratoriumscharakter. Es ist ein Treffen, eine große Kunstaktion, auf der Dinge entwickelt werden. Ich bin ja Komponistin, keine Intendantin.

Wie wird man denn von der klassischen Geigerin zur Klangkünstlerin?

Ich bin quasi mit einem Melodieinstrument auf die Welt gekommen, habe mit sieben Paganini gespielt und dann irgendwann begonnen, Melodien zu hassen. Vielleicht weil ich sie als Geigerin so nah am Ohr hatte, dass sie sich wie Ohrwürmer eingeschlichen hatten. Penetrant. Trotzdem sagen mir viele Hörer, sie hörten in meiner Musik nach wie vor Melodien. Das stimmt wohl auch. Aber sie werden subtiler verarbeitet, nicht so plakativ. Auch Rhythmus interessiert mich nur, wenn er sehr komplex verarbeitet ist.

War das Komponieren von Anfang an ein Aufbegehren gegen das Melodische?

Mit 15, 16 habe ich nicht nur im Bundesjugendorchester, sondern auch in verschiedenen Jazzformationen gespielt. Da haben mich die Jungs aufgefordert: Komponier' auch was!

Wann hat denn Mia Zabelka das letzte Mal die Geige so in der Hand gehabt, wie man sie für das Brahms-Violinkonzert in der Hand haben muss?

Ich hab sie immer so in der Hand! Letztens hat bei einer Performance in Köln ein Kollege zu mir gesagt: Man merkt die Wiener Schule. Das kann man wahrscheinlich nie verleugnen.

Pläne – Träume?

Ich würde gern den europäischen Festivalraum erobern. Christian Fennesz, mit dem ich demnächst auch einige Auftritte absolvieren werde, spielt in London vor 5000 Leuten! Es gibt interessiertes Publikum. Ich bin der Überzeugung, dass in 100 Jahren keine einzige Note mehr mit Bleistift auf Notenpapier geschrieben wird. Vielleicht ist es das, was wir mit unserer Arbeit vorwegnehmen...

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2009)

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