Anna Prohaska, klügste aller Interpretinnen

AUSTRIA THEATRE SALZBURG FESTIVAL 2010
AUSTRIA THEATRE SALZBURG FESTIVAL 2010(c) EPA
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Mit Eric Schneider präsentierte die die Sopranistin ihr jüngstes Programm: Lieder um „Ophelia“.

Im Verein mit Eric Schneider, der als Klavierpartner alle subtilen Nuancen mitzugestalten versteht, hat Anna Prohaska immer wieder mehrsprachige Themenabende zusammengestellt, die über alle Genregrenzen hinweg spannende Geschichten erzählen. Zuletzt sang sie – aus Anlass des Gedenkjahres 2014 – Lieder vom Krieg. Derzeit tourt sie mit einem „Ophelia“-Recital. Faszinierend zu erleben, wie sich ein der Oper abholder Meister wie Brahms der theatralischen Aufgabe genähert hat. Ganz zurückgenommen, schlicht, in fahlen Farben malt er die Leiden der dem Wahnsinn preisgegebenen Geliebten von Shakespeares Hamlet.

Dieselben Texte dann, unmittelbar anschließend, in der 2012 vorgestellten Vertonung durch Wolfgang Rihm. Dessen Theaterpranke verwandelt den Brahmssaal in eine moderne Mehrzweckbühne: Sogar der Pianist darf als Sprecher mitwirken – und der Sopran muss höchste Höhen und tiefste Tiefen der Stimme ausloten: Die Ausdrucksmittel reichen plötzlich vom Flüsterton bis zum Schrei.

Anna Prohaska verfügt über alle vokale Differenzierungskunst, die eine Interpretin braucht, um die Ansprüche der „kleinen großen“ Gattung Liedgesang zu erfüllen: Bei ihr herrscht prägnante Diktion – offenbar in allen Sprachen (diesmal sang sie auf Deutsch, Englisch, Französisch und Russisch), und stets schwingt mit, was zwischen den Zeilen steht und von den Komponisten mitgedacht wurde.

Hier kommt der Tod als Freund

Wie oft hat man Schuberts „Tod und das Mädchen“ als oberflächlich pittoresken Dialog serviert bekommen? Wie unmittelbar berührt es, wenn Anna Prohaska in diesem Lied, das Eric Schneider nahtlos aus dem „Geistertanz“ (D 116) herauswachsen lässt, auf die angstvoll-hektische Bitte des Mädchens den souverän-ruhigen Tod antworten lässt. Er kommt hier tatsächlich als Freund. Im Angesicht des Absoluten fließen Entsetzen und Schönheit in eins. Erfüllter Gesang kann uns das fühlen lassen.

Das erzeugte wohl bei den meisten Besuchern Gänsehaut, wie zuletzt die intensiven Seelenbilder der Alexander-Blok-Lieder op. 127 von Dmitri Schostakowitsch, bei denen noch Lorenza Borrani (Geige) und Mischa Meyer (Cello) hinzustießen, um in wechselnden Klangkombinationen Möglichkeiten dramatischer Bildhaftigkeit, aber auch äußerster Introversion auszuloten. Fabelhaft!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2015)

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