Matthias Bartolomey: Der Streuner in den Grenzbezirken

(c) Teresa Zötl
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Der Cellist Matthias Bartolomey musiziert Klassisches, Jazz und Rock: „Eine Art Wünsch-dir-was-Situation“, sagt er.

Momentan ist es wirklich sehr dicht“, sagt Matthias Bartolomey. Das ist eher unter- als übertrieben. Denn „dicht“ ist sein künstlerisches Programm in jeder Hinsicht. Zum einen reiht sich Auftritt an Auftritt. Zum andern ist die stilistische Bandbreite, die der Musiker abzudecken hat, enorm. Vielleicht gibt es Cellisten in der Welt, die noch öfter auf den Konzertpodien erscheinen als er. Noch unterschiedlicheres Programm absolviert bestimmt keiner der Kollegen! Matthias Bartolomey, Spross einer Wiener Musikerfamilie, ist auf dem klassischen Sektor ebenso aktiv wie im Grenzbezirk zwischen E-Musik, Jazz und Rock. „Man könnte das fast als eine Art Wünsch-dir-was-Situation bezeichnen. Es sind nämlich genau die Dinge, die ich unbedingt machen möchte.“ Und die haben bei Weitem nicht nur mit seiner klassischen Ausbildung zu tun oder mit dem, was er in seiner Kindheit und Jugend zu Hause kennenlernen durfte.

Philharmoniker. Matthias Bartolomeys Urgroßvater kam aus dem Böhmischen und wurde zum Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker in jener Zeit, als Gustav Mahler die Geschicke der Hofoper und damit auch des philharmonischen Hofopern-Orchesters lenkte. Großvater und Vater setzten diese Tradition fort. Wobei das väterliche Instrument das Violoncello war: Franz Bartolomey war bis vor Kurzem Solocellist der Philharmoniker. Matthias hätte sich vorstellen können, in die väterlichen Fußstapfen zu treten, ist aber aus heutiger Sicht froh, dass es anders kam: „Wenn es der philharmonische Weg geworden wäre, dann hätte ich auf viel verzichten müssen, was mir Freude bereitet.“ Die Zusammenarbeit mit Klemens Bittmann zum Beispiel wäre wohl gar nicht erst zustande gekommen. Sie führt beide Musikanten im Duo BartolomeyBittmann auf eine Erfolgsspur. „Das geht wirklich auf“, sagt Matthias Bartolomey, „es hat sich ja schon vor ein paar Jahren bei meiner Arbeit mit unserem Cellotrio Metaphysis abgezeichnet, dass es mich aus der Klassik rauszieht. Im Zusammenspiel mit Klemens hat sich nun etwas eröffnet, was ich schon länger gesucht habe.“

Sogar das Repertoire des Duos entsteht in spielerischen Arbeitssitzungen: „Wir verbringen viel Zeit, Musik für unsere Besetzung zu schreiben. Und wir sind quasi im Selbstmanagement tätig. Dabei lernt man andere Aspekte der Musikszene kennen.“ Das beansprucht ebensoviel Kraft wie die künstlerische Tätigkeit. „Im Moment können wir wirklich sagen: 50 Prozent Business Hours, 50 Prozent Musikmachen“, sagt Bartolomey. Freilich ist so viel Schreibtisch- und Telefon-Engagement nötig: „In Zeiten wie diesen passiert, wenn man nicht selbst voll dahinter ist, einfach gar nix.“

Zu zweit. Wobei sich der Musikfreund, der die elektrisierenden Auftritte von BartolomeyBittmann erlebt, vielleicht vorstellen kann, dass man sich die Verwaltungsarbeit teilen kann. Dass aber auch Musik dieses so spontan wirkenden Zuschnitts in gemeinsamer Detail-Arbeit entsteht, scheint rätselhaft. Zu zweit komponieren? „Wir haben uns vor zweieinhalb Jahren kennen gelernt“, erzählt Bartolomey, „haben uns zusammengesetzt, um zu probieren, um Ideen hin und her zu jonglieren. Klemens kommt ja aus dem Jazz und es entstand am Beginn wirklich eine ,Jam-Situation’. Die hat sich immer mehr verfeinert, entwickelt: Meist läuft es so, dass einer eine Idee hat, eine musikalische Zelle, eine Melodie, ein Riff – viele rockige Elemente spielen dabei immer mit. Mit den Einfällen wird experimentiert: Kann man das unisono spielen? Kann man eine Melodie dazu spielen? Innerhalb von ein paar Stunden entsteht etwas.“ Das Publikum bekommt in den Konzerten Wegmarken dieses „permanenten Prozesses“ zu hören. Stücke, die sich dank der intensiven Zusammenarbeit „tief in uns beiden verwurzelt haben.“ Wobei „ein Aspekt des gemeinsamen Komponierens ist, dass jeder bei seinen Stärken bleiben kann. Wir arbeiten stark mit Jazz, aber ich würde mich nicht so weit in dieses Metier hineinbegeben, sondern versuche, die Bereiche zu erkunden, die ich aus meiner klassischen Ausbildung heraus erobert kann: Was nehme ich herein? Wie kann die Sache wirklich Hand und Fuß haben?“ Sicher will sich Matthias Bartolomey nicht in jener Simplizität ansiedeln, die allenthalben versucht, „ Klassik ein bisschen anders“ zu servieren, „ein bisschen cooler“. Davor bewahrt ihn sein Qualitätssinn, den er im väterlichen Haushalt geschult hat. Dank seiner klassischen Ausbildung hat es Bartolomey geschafft, in Nikolaus Harnoncourts Concentus musicus zum Solo-Cellisten zu avancieren. Das ist ein weiteres Standbein für den vielseitigen Musiker.

Rockstar Harnoncourt. Und die Arbeit mit Harnoncourt scheint ihm „cool“ genug, um beim Vokabular zu bleiben: „Harnoncourt ist in seiner Art ja ein Rockstar“, schwärmt Bartolomey: „Vielen guten Bands geht es um ähnliche Dinge: Um die Essenz in der Musik, um eine Unbedingtheit des Ausdrucks, um höchste Lebendigkeit. Das sind genau die Dinge, um die Harnoncourt kämpft.“ Und um die es auch Matthias Bar­tolomey immer zu tun ist, ob er am Cellopult im Concentus Musicus sitzt, demnächst etwa bei Aufführungen von Beethovens „Missa solemnis“ bei der Styriarte und bei den Salzburger Festspielen, ob er mit Klemens Bittmann – oft im Verein mit Schauspieler- oder Literaturgrößen wie Birgit Minichmayr oder Michael Köhlmeier – spezielle Klangerfahrungen macht, ob er – im Sommer etwa beim Attergauer Kultursommer – Haydns C-Dur-Konzert musiziert, oder mit dem Klavier-Duopartner Clemens Zeilinger Sonaten von Brahms oder Schostakowitsch interpretiert. Oder die Sonate von André Previn, dessen Werk im Schnittpunkt von Jazz und Klassischer Moderne Möglichkeiten aufgezeigt hat. Im Casino Baumgarten haben BartolomeyBittmann einen historischen Aufnahmeraum für ihr neues CD-Projekt gefunden, der Bartolomey „wegen seiner fantastischen Akustik“ fasziniert, außerdem, so erzählt er, „hat dort der Concentus Musicus einst seine erste CD aufgenommen.“ 

Tipp

BartolomeyBittmann „Meridian“, 13. Mai, Sargfabrik Wien, Styriarte: 4., 5., 6. 6.; Salzburger Festspiele: 22. 7. www.matthias.bartolomey.squarespace.com

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