Eno Peci: Lieber tanzen als zum Militär

(c) Katharina Roßboth
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Eno Peci ist immer und immer wieder hingefallen. Und immer wieder aufgestanden. Heute tanzt der Offizierssohn aus Albanien aus der Reihe.

Eigentlich war für die Familie Peci völlig klar, was aus dem quirligen Jungen mit dem ausgeprägten Bewegungsdrang einmal werden würde: ein Soldat mit Aufstiegschancen. Der Vater ein Offizier, die Großväter Generäle, auch die Onkel machten Karriere beim Militär. Nichts Ungewöhnliches in seiner Heimat Albanien. Der Bub dachte nicht weiter darüber nach. Er spielte Fußball und fand es fad. „Die Logik dahinter verstehe ich bis heute nicht.“ Dann versuchte er sich an der Zirkusschule. „Nach dem Fußball ist man sehr verkrampft, weil man ja immer dasselbe macht – im Zirkus haben die mich dann in alle Richtungen gedehnt, haben an meinen Beinen gezogen, damit ich einen Spagat schaffe. Das war eine Tortur!“ Auch das fand er bald fad. „Wahrscheinlich hat mir das Künstlerische gefehlt, da musste man nur üben, üben, üben – wie eine Maschine.“ Erst im dritten Anlauf kam ihm die zündende Idee: Er wollte tanzen lernen. Der Vater war verblüfft, willigte aber ein – und so kam Eno Peci erst mit elf Jahren an die einzige Ballettschule Albaniens in Tirana, wo nach der traditionellen russischen Waganowa-Methode unterrichtet wurde.

Wie er von dort ans Wiener Staatsballett gekommen ist? „Das war ein langes Abenteuer“, sagt Peci lachend und beginnt zu erzählen: „1997/98 herrschte in Albanien Krieg. Da waren Leute mit Gewehren, da waren Bomben überall, da hätte ich keine Zukunft gehabt.“ Also setzte sich der damals 15-Jährige zu seiner in Österreich lebenden Schwester ab. Ohne Deutschkenntnisse. Ohne Visum. Als er sich ein halbes Jahr später ein Herz fasste und an der Ballettschule der Wiener Staatsoper zum Vortanzen ging, war Peci alles andere als in Form: „Ich hatte ein halbes Jahr nicht trainiert, nicht einmal meine Dehnungsübungen gemacht. Ich war nervös und musste mit einer 7. und 8. Klasse trainieren. Die waren perfekt: schöne Linie, hohe Beine, die Drehungen und Sprünge. Und sie hatten die Nase ganz weit oben neben mir. Ich hatte gar keine Kondition, bin bei den Pirouetten immer und immer wieder hingefallen – und immer und immer wieder aufgestanden, um es noch einmal zu probieren. Die müssen gedacht haben: Der ist verrückt.“ Er brauchte den Schulplatz aber unbedingt, für ein Studentenvisum. Ballettdirektor Michael Birkmeyer sah zwar die Mankos, war aber von seinem Ehrgeiz beeindruckt – und gab ihm eine Chance.

Der lustige Typ kann auch den fiesen Widerling. Peci absolvierte in Wien die Ballettschule, während seine Eltern im unruhigen Albanien blieben. Stipendium bekam er keines, „das haben nur Schüler aus Russland bekommen“, erzählt er. „Meine Eltern haben ihr Haus verkauft, um für mich hier die Schule zu bezahlen.“ Ein Schritt, den sie nicht bereuen sollten: Peci wurde im Jahr 2000 ins Staatsopernballett aufgenommen, wo er 2003 zum Halbsolisten und 2009 zum Solotänzer avancierte. Er war ein eleganter Herzog Albrecht in „Giselle“, ein brillanter Ulrich in Roland Petits „Fledermaus“, ein mordlustiger Tybald in „Romeo und Julia“, ein verschlossener, einsamer „Blaubart“ und viele andere mehr. Beim Staatsopern-Ballettabend, der am 9. Mai Premiere feiert, wird er in Hans van Manens eindrucksvollem Meisterwerk „Adagio Hammerklavier“ und in Jirí Kyliáns „Bella Figura“ als erste Besetzung tanzen. Am 11. Mai steht er wieder als strenger, aber feinfühliger Tanzlehrer in „Giselle Rouge“ auf der Volksopern-Bühne. Peci besticht durch seine Wandlungsfähigkeit, er ist nicht nur ein hervorragender Tänzer, sondern hat auch darstellerisches Talent. Er hat den lustigen Typen (der seinem sonnigen Wesen ohnehin liegt) genauso drauf wie den edlen Prinzen oder den fiesen Widerling. „Ein Tänzer muss alles können, und er muss alles ausprobieren, um sich zu entwickeln und sein Können irgendwann auch weitergeben zu können“, findet er und bedauert: „Leider kann ich nicht singen.“ Mit 33 sei er tänzerisch am Höhepunkt angelangt. „In meinem Alter hat man die volle Kraft – und man beginnt sich zu fragen: Was mache ich später?“ Nicht nur als einer, der sein Fach liebt, auch als Familienvater (Peci ist mit Halbsolistin Dagmar Kronberger liiert) macht er sich Gedanken. Und wenn sein Chef, Manuel Legris, mit fünfzig Jahren noch immer tanzt, dann müsse man doch „im Kopf die Weichen stellen“, wie es danach weitergehen soll, meint er. Eine Verletzung ist schnell passiert. Und mit etwa vierzig Jahren müssen Tänzer ihre Schläppchen sowieso an den Nagel hängen.

Das Video

Getanzte Bilder und ein Ei, das glücklich macht. Peci hofft, als Choreograf Fuß zu fassen. Einige Arbeiten hat er schon gemacht – in „Herzblume“ (2013) zeigt er den bewegenden Abschied einer Mutter von ihrem Kind, für „Pavillon 12/2“ (2014) ließ er sich von einem Spaziergang durch die Psychiatrie auf der Baumgartner Höhe inspirieren: „Das war schon sehr spooky.“ Für den Sommer hat er sich das Thema „Exodus“ vorgenommen. Choreografieren, das sei für ihn „wie ein Puzzle“, sagt Peci. „Man hat eine Idee, probiert es aus, am nächsten Tag macht man es dann anders.“ Fasziniert ist er davon, dass eines seiner Stücke – „Herzblume“ – auch als Bild verewigt ist.

Signapura 2013 from CasanovaSorolla on Vimeo.

Der peruanische Künstler Luis Casanova Sorolla hat Pecis Stück im Rahmen des Kunstprojekts „Signapura“ auf Papier gebracht: Die Tänzer tanzten einen Ausschnitt von „Herzblume“ auf einer riesigen, mit Pigmenten bestreuten Leinwand – und hinterließen die Abdrücke ihrer Bewegungen in Form von Linien, Schleifspuren, Punkten und Schattierungen. „Das Endergebnis hat mich sehr überrascht. Plötzlich sah ich meine eigene Choreografie auf Papier. Wie ein Stempel.“ Nun hängt der Bild gewordene Tanz im Wiener Hotel Harmonie, das sich dem Tanz verschrieben hat, indem es Themen-Packages anbietet und mehrere Sorolla-Bilder sowie ein Video von deren Entstehung ausstellt. Doch nicht nur deshalb ist Eno Peci gerne hier. „Also, das Ei Benedict, das muss man einfach probieren“, schwärmt er während des Frühstückstermins im Hotel Harmonie immer wieder und setzt ein vergnügtes Teenager-Lächeln auf. So glänzt Peci nicht nur auf der Bühne, sondern auch mit Bescheidenheit.

Tipp

Ballettabend an der Staatsoper mit Stücken von Hans van Manen („Adagio Hammerklavier“), Jirí Kylián („Bella Figura“), Alexander Ekman („Cacti“): Premiere am 9. Mai (19 Uhr). Video von der Entstehung der Tanzbilder von Luis Casanova Sorolla harmonie-vienna.at

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