Tröstliche Tristesse, geistreicher Humor

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Sibelius' dritte Symphonie, Haydns Cellokonzert mit Sol Gabetta und mehr Bekanntes und Unbekanntes, serviert von den Wiener Symphonikern unter Olari Elts.

„Der erste Satz beginnt, als ob er nicht bis drei zählen könnte, dann aber geht es gleich ins große Einmaleins und zuletzt wird schwindelnd mit Millionen und Abermillionen gerechnet“: Was Gustav Mahler über seine eigene Vierte schrieb, gilt ein bisschen auch für die dritte Symphonie von Jean Sibelius. Nur wenige Jahre darauf entstanden, steht sie in vermeintlich unbekümmertem C-Dur, scheint klassizistische Strömungen um Jahrzehnte vorwegzunehmen, zeigt jedoch eher eine rigorose Kunst des Weglassens. Das führte dazu, dass das Werk zwischen der spätromantisch-herb aufblühenden Zweiten und der grüblerisch-düsteren Vierten zuweilen weggelassen wurde, etwa von Karajan, der sich nur mit Sibelius' übriger Symphonik befasste. Die Dritte ist sogar, wenn auch wohl zufällig, im Goldenen Saal ein Stiefkind, konnte sich zuletzt nur über den Umweg der verdienstvollen Jeunesse in den Musikverein einschleusen. Zehn Jahre später stopften die Wiener Symphoniker die Lücke nun im Zyklus der „Großen Symphonie“ ganz offiziell – mit einem Konzert, das wohlbekannte und seltener gespielte Werke von Haydn und Sibelius in einen anregenden Zusammenhang stellte.

Das Pendant zur Dritten des Finnen bildete Haydns vorletzte Pariser Symphonie Hob. I:86, der zwar ein populärer Beiname fehlen mag, die aber an festlichem Elan, geistreichen Details und überraschenden Wendungen ihren Schwestern keineswegs nachsteht. Dort wie da erfreute Elts mit den Symphonikern besonders durch atmosphärische Piano- und Pianissimostellen der Streicher – schon eingangs in Auszügen aus der Schauspielmusik zu „Kuolema“ („Der Tod“), bei Haydn dann mit schwerelosen Tonrepetitionen. Um die rhythmische Genauigkeit war es nicht ganz so gut bestellt, etwas bedauerlich bei Werken, deren Konturen mit besonderer Präzision gezogen sein sollten. Doch mag es noch wichtiger sein, den richtigen Tonfall zu finden: für die tristen Wiederholungsmuster im langsamen Satz der Dritten, wo sich das Gleiche unaufhörlich wandelt und in dieser Beständigkeit auch Trost spendet, und für den pointierten Humor, der Haydns ganze Symphonie durchpulst. Das gelang diesmal auf sympathische Weise, wobei etwa die Flötenmelodie im Mittelteil der berühmten „Valse triste“ betörend zart erblühte oder das Fagott im Trio von Haydns Menuett mit hörbarem Augenzwinkern tanzte.

Nobel singend: Cellistin Sol Gabetta

Besondere Freude erregte die argentinische Cellistin Sol Gabetta. Mit reich schattiertem Ton, stets sauber, nie kratzig, sondern durchwegs nobel singend, erfüllte sie den Solopart von Haydns C-Dur-Konzert, dessen Orchesterpart Elts einen Hauch zu bedächtig anlegte. Selbst die Zugabe, die sie mit ihren Symphoniker-Cellokollegen gewährte, fügte sich in die Dramaturgie des Bekannt-Unbekannten: „El cant del ocells“ („Der Gesang der Vögel“), eine malerisch-rührende Miniatur ihres großen Vorgängers, Pablo Casals.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2015)

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