„Walküre“ unter Simon Rattle: Gleißende Töne, dunkler Sinn

Sir Simon Rattle Chefdirigent der Berliner Philharmoniker w�hrend eines Konzertes in der Waldb�hne
Sir Simon Rattle Chefdirigent der Berliner Philharmoniker w�hrend eines Konzertes in der Waldb�hne(c) imago/Kai Horstmann (imago stock&people)
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Herlitzius glüht als neue Brünnhilde, Konieczny, eingesprungen als Wotan, hat in dieser Rolle an Format gewonnen. Aber insgesamt bleibt Sir Simon Rattles erste Wiener „Walküre“ heißes Bemüh'n ohne innere Hitze.

Eindrucksvoll, aber doch auch merkwürdig, dieser „Erste Tag“ von Wagners „Ring des Nibelungen“, erstmals unter der Leitung von Sir Simon Rattle an der Staatsoper. Die gröbsten Unsicherheiten des „Rheingold“ waren immerhin ausgeräumt, Rattles Detailarbeit machte sich dort und da bezahlt – und doch wollten sich die weiträumigen Spannungsbögen und packenden Aktschlüsse, wie man sie aus großartigen Aufführungen kennt, nicht recht einstellen: Bleibt vorerst die Hoffnung auf den zweiten „Ring“-Zyklus.

Immerhin hat Tomasz Konieczny als Wotan an Format gewonnen. Erstaunlich, wie viele Reserven er nach dem „Rheingold“ am Abend zuvor nun in der „Walküre“ mobilisieren konnte – und das sogar noch am Ende des dritten Aufzugs. Sein markanter, stellenweise fast durchdringender Bariton wirkt deshalb so schlagkräftig, weil er stets sofort anspricht und die Töne so unmittelbar trifft wie seines Speeres Spitze ihr Ziel. Die dazugehörige Schlagfertigkeit hingegen, im Sinn eines lebendig durchformten Dialoges nämlich, kam ihm aber zunehmend abhanden: Durch seine bekannt starken Vokalverfärbungen und die oft nach hinten rutschende Stimme verliert sein an sich wortbezogen kluger Vortrag an Relief und driftet ins Dunkel – schade, dass er sich dadurch selbst im Weg steht.

Blicke zwischen Fricka und Brünnhilde

In gleißendes vokales Licht rückt dagegen Evelyn Herlitzius die Partie der Brünnhilde. Manchmal scheint es, als sei in ihrem oft schonungslos bis zur Weißglut getriebenen Sopran jener verletzliche (und zugegebenermaßen auch: verletzte) Klang wiedergekehrt, den einst Hildegard Behrens so berührend eindringlich kultiviert hat – nur freilich in weitaus robusterer Verfassung. Und sie punktet als in jeder Sekunde präsente Darstellerin: Köstlich zu beobachten, welche Blicke da allein zwischen ihr und der gestrengen Fricka Michaela Schuster gewechselt werden. An dieser lässt sich zudem studieren, wie hoheitsvoll nuanciert man keppeln kann, wenn man das Recht auf seiner Seite weiß...

Da mag sich der gestandene Siegmund Christopher Ventris noch so sehr gegen sein Schicksal stemmen, er muss doch fallen: Im Dramatischen fast so souverän wie im Lyrischen ist er in dieser Rolle fast schon ein Veteran. 2003 hat er sie erstmals in Wien gesungen (übrigens neben Herlitzius als Sieglinde!), also noch in der alten Dresen-Inszenierung, in der er damals in eine von Schnee umtoste Jurte stolperte. In Rolf Glittenbergs großbürgerlichen Interieurs, in denen Mikhail Petrenko als keineswegs plakativ brutaler Hausherr Hunding herrschte, traf er nun auf Martina Serafin als reif tönende, auch in tieferen Lagen füllige Sieglinde. Ihr „hehrstes Wunder“ freilich dürfte noch etwas entspannter aufblühen, zumal Rattle, dem der dritte Aufzug stellenweise zur Materialschlacht geriet, an dieser Stelle durchaus Rücksicht nahm. Erneut viel Begeisterung, auch für Sven-Eric Bechtolfs Vampir-Walküren mit ihren spitzen Zähnen und manch dazu passenden Tönen.

Fortsetzung: „Siegfried“ am 20.5., „Götterdämmerung“ am 25.5.; zweiter „Ring“-Zyklus ab 30.Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2015)

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