Staatsoper: Siegfried döst nicht nur unter der Linde

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„Siegfried“ in Sir Simon Rattles erstem Wiener „Ring des Nibelungen“: Plastische, bunt schillernde Details reihen sich mehr solide als inspiriert aneinander.

Alles relativ! Wer schon „Vorabend“ und „Ersten Tag“ des „Rings“ unter der Leitung von Simon Rattle miterlebt hatte, konnte sich nach diversen Zitterpartien nun bei „Siegfried“ vergleichsweise erleichtert zurücklehnen: Denn fast durchwegs sicher und klangschön wurde da musiziert, von den Hornrufen bis zu heikelsten Stellen wie der gnadenlos nackten, immer weiter aufsteigenden Violinkantilene, die am Beginn der Schlussszene die „selige Öde auf wonniger Höh‘“ malt, welche die Primgeigen wunderbar sauber und ruhevoll modellierten. Ja, fast – denn ausgerechnet das Vorspiel zu diesem dritten Aufzug ging Rattle zu hektisch an, worauf die schicksalsschwangere Erhabenheit der Musik im rhythmischen Wackeln verpuffte. Wäre das in aufwallender Hitze passiert, müsste kein weiteres Wort darüber verloren werden. Doch auch die Temperaturkurve des Abends lud zum Zurücklehnen ein: Immerhin gab es keine Spur von Langeweile, aber elektrisiert an die Sesselkante holte einen auch nichts. Stattdessen hantelte sich die Vorstellung gleichsam von einer schönen oder prägnanten Stelle zur nächsten.

Bereits in „Rheingold“ hatte Rattle Sinn für schlagfertige Dialoge gezeigt. Die Märchenelemente des „Siegfried“, der wenn auch etwas bärbeißige und teils musikalisch schwer gepanzerte Humor, der in den Sentenzen des Wanderers waltet, die grellen Kontroversen der balgenden Nibelungenbrüder, die ja so etwas wie orchestralen Slapstick in sich tragen, eine gewisse staunende Naivität: All das scheint Rattle wieder mehr zu liegen als die großen Emotionen und politischen Verstrickungen, die die „Walküre“ bestimmen. Vielleicht ist damit zwischen ihm und dem Staatsopernorchester der gemeinsame grüne Zweig in Sachen „Ring“ erreicht. Jetzt müsste er nur noch Blüten tragen . . .

Dazu wäre auch bei der zweiten Aufführung der Tetralogie ab 30. Mai noch Gelegenheit, die wie die erste ohne Michael Volle auskommen muss: Tomasz Konieczny bleibt beim Wotan, dessen Wanderer-Identität er auch diesmal mit voluminösen Phrasen und etwas verdunkelter Diktion ausstattete.

Wotan und Siegfried in der Grube

Zu tragödienhafter Größe konnte er sich in der finalen Konfrontation mit seinem unbotmäßigen Enkel Siegfried aber nicht aufschwingen. Diese spielt gleich in der Grube, aus der Wotan zuvor die im Vergleich zu „Rheingold“ etwas angestrengt klingende Erda der Janina Baechle exhumiert hat; bis dahin betont Sven-Eric Bechtolfs Regie immer wieder die Komödienelemente: Der robuste, doch auch differenziert singende Siegfried Stephen Gould sowie Herwig Pecoraro als verschlagener, leidlich präziser Mime spielen einander die szenischen Bälle mit Vergnügen zu, und auch der drastische Alberich von Richard Paul Fink hielt mit. Nicht so recht frei singen konnte sich Evelyn Herlitzius in der kurzen, aber tückischen Partie der erweckten Brünnhilde. Freundlicher Jubel für alle.

„Götterdämmerung“: Pfingstmontag, 16 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2015)

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