Klavier, mit staunenswerter Kraft

 Ingolf Wunder
Ingolf Wunder (c) ORF
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Der Klagenfurter Pianist Ingolf Wunder spielte Werke von Chopin, Beethoven und Liszt, darunter dessen monumentale h-Moll-Sonate.

Natürlich hatte Ingolf Wunder Chopin in seinem Programm. Das ist der 30-jährige Klagenfurter schon seiner Vergangenheit schuldig. Schließlich reüssierte er beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 2010 mit dem zweiten Platz. Das Publikum hätte ihm sogar den Sieg zugesprochen, aber die Jury machte einen Strich durch diese Rechnung. Wunders Karriere hat es nicht geschadet, wie seine aktuellen Engagements zeigen, die ihn zu herausragenden europäischen Orchestern und in die USA führen.

Zuletzt hat er sich für einen weniger bekannten Chopin engagiert: das Allegro de concert in A-Dur op. 46. Für diesen vermutlich ersten Satz von Chopins nie fertig gestelltem drittem Klavierkonzert hat er auch eine Orchestrierung vorgelegt. In Wien präsentierte er dieses brillante Stück in seiner Soloversion und beeindruckte damit ebenso wie mit Chopins feinsinnig phrasiertem Es-Dur-Nocturne Opus 55/2. Weniger wusste er mit dem ersten Stück dieser Chopin-Gruppe anfangen, dem H-Dur-Nocturne Opus 9/3. Er spielte es mit wenig Sinn für Poesie, aber auch mit geringem Interesse für dessen dramatische Ausbrüche.

War er, als er dieses Nocturne musizierte, noch zu sehr in Gedanken beim ersten Stück des Abends, Beethovens Eroica-Variationen? Auch bei diesen bot er eine meist makellose, aber kaum in die Tiefe gehende Darstellung des Notentextes, blieb oft an Details hängen, die sich zudem plastischer hätten darstellen lassen.

Liszt gehörte der zweite Teil des Abends im Mozartsaal. Zuerst einer sensiblen, zuweilen in Chopin-Nähe gerückten Darstellung des Petrarca Sonetts Nr. 104, dann der monumentalen h-Moll-Sonate. Eine „Genialitäts-Dampfmühle“ hat sie Eduard Hanslick genannt, „ein fast unausführbares musikalisches Unwesen“.

Im virtuosen Rausch

Wunder schienen die vertrackten technischen Schwierigkeiten dieser vier Abschnitte zu einer Einheit bindenden Sonate keine Probleme zu machen. Selbst in den in rasantem Tempo genommenen schnellen Partien hatte er noch Kraft zum Forcieren. Dennoch überzeugte er in den lyrischen Passagen, die er mit viel Geschmack modellierte, ungleich mehr. Weil er sich Zeit für das klare Ausformulieren der Melodien nahm, während er sich in den schnellen Teilen oft in einen virtuosen Rausch hineinsteigerte, was nicht selten auf Kosten der Klarheit und der differenzierten Dynamik ging. Spannend war es allemal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2015)

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