Musikverein: Schon wieder Schostakowitsch – aber wie!

Geigerin Lisa Batiashvili
Geigerin Lisa BatiashviliAPA/EPA/SOEREN STACHE
  • Drucken

Das Philadelphia Orchestra bewies im Musikverein, dass es für russische Musik brennt.

Und wieder Schostakowitsch. Bei den derzeit dicht gedrängten Gastorchesterauftritten haben eindeutig die Russen die Nase vorn: am Sonntag die Symphoniker mit Schostakowitsch sowie Pappano und seine Römer mit Rachmaninow und Tschaikowsky im Konzerthaus, am Dienstag das Philharmonia Orchestra mit Strawinskys „Feuervogel“, dazwischen im Musikverein das Philadelphia Orchestra mit Schostakowitsch und Tschaikowsky . . . Fast will es scheinen, als hätte Mahler nach dem Jubiläumsjahr 2011 als sichere Bank für Tourneeprogramme vorerst ausgedient.

Wieder Schostakowitsch also – aber wie! Wer noch in bester Erinnerung hat, wie Nikolaj Znaider bei den heurigen Salzburger Osterfestspielen dessen kapitales erstes Violinkonzert interpretierte, konnte sich nun durch eine andere, aber noch ausgereiftere Deutung packen lassen. Die fulminante Lisa Batiashvili hat vollbracht, was man Kunststück nennen möchte, würde das nicht schon auf eine falsche Fährte führen. Denn technische Bravour, wie sie das irrsinnig-irrlichternde Scherzo, die Kadenz oder die Bocksprünge des Finales verlangen, dient bei ihr nur dem Ausdruck: Hindernisse und ihre Überwindung sind bei Schostakowitsch immer symbolhaft zu verstehen.

Batiashvili: Intensität und Sorgfalt

Dabei nimmt Batiashvili gleichsam eine Mittelstellung ein zwischen der Rampenlichtattitüde der Oistrach-Tradition und den gewagten Ausdünnungen des Klangs, die Znaider hat hören lassen. Mittelmaß war jedoch keineswegs die Folge, im Gegenteil. Die fragile, singende Schönheit, mit der sie gleich den ersten Satz erfüllte, ließ den Violinpart zu einem seidenen Faden werden, den sie mit einer solchen Intensität und Sorgfalt spann, als würde ihr Leben daran hängen. Da rückten nicht nur die Orchestermusiker, deren Kräfte und Farben Philadelphia-Chef Yannick Nézet-Séguin nicht zuletzt in der düsteren Passacaglia imponierend klar und expressiv gemischt hatte, an die Sesselkante, sondern auch das Publikum.

Ovationen erntete auch die minuziös durchgearbeitete Lesart von Tschaikowskys Fünfter. Mag sein, dass das Philadelphia Orchestra insgesamt etwas glatt tönte, nie jedoch oberflächlich oder gar belanglos: Verblüffend, wie die jugendlich-spontane Hitze des Dirigenten nicht etwa dort und da bloß ein lärmendes Strohfeuer entfachte, sondern wie Nézet-Séguin die Partitur durchwegs brennen ließ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.