Roman Lazik: „Vor dem Schlafen tanze ich im Kopf“

(c) Christine Ebenthal
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Liebe, Wanderungen und der tanzende Prinz in unseren Köpfen: Ein Porträt von Roman Lazik, dem Ersten Solotänzer im Wiener Staatsballett.

Nach einer abwechslungsreichen Karriere ist Roman Lazik in Wien gut gelandet. So richtig die Füße auf den Boden bekommen hat er freilich erst, als Manuel Legris Ballettchef wurde. Bei einem Probenbesuch in der Wiener Staatsoper, es laufen Vorbereitungen für die Rudolf-Nurejew-Gala Ende Juni, sieht man den Ersten Solotänzer: Den Blick konzentriert, die Schritte tastend, wie junge Entchen gehen er und Irina Tsymbal hinter Sonja Marchiolli her. Das zu sagen, ist eigentlich verpönt. Tänzer sehen nie wie Enten aus. Igor Zapravdin hämmert Chopin in die Tasten. Im Ballettsaal nähert man sich Rudi van Dantzigs Pas de deux „Moments Shared“ an. „Wir kennen sein Vokabular, und auch Sonja ist uns vertraut. Sie war Tänzerin und Rudis Assistentin. Voriges Jahr hat sie mit uns sein Ballett ,Vier letzte Lieder‘ einstudiert“, erzählt Roman Lazik. Dennoch ist es ganz einfach, denn Legris hat dieses wenig bekannte Duett (zu Frédéric Chopins Etüde Nr. 4, cis-Moll) auch selbst getanzt.

Danseur noble. Doch das Heft in der Hand hat die Marchiolli, sie ist geduldig und liebevoll. Schon an diesem Nachmittag können Tsymbal und Lazik das gesamte Stück durchprobieren. Überraschend schnell, über Nacht, kann Lazik seinen Part auswendig: „Vor dem Einschlafen tanze ich das Stück im Kopf. Wenn das bis zum Ende mit allen Variationen gelingt, dann hab ich es. Oder ich schlafe vorher ein.“ Lazik, geboren in Bratislava, Erster Solotänzer des Wiener Staatsballetts seit 2010, hat eine lange Karriere hinter sich, obwohl er keineswegs schon in der Wiege geträumt hat, Pirouetten zu drehen. Aber schon die Kindergartentante sah, dass sich der kleine Roman zu einem Danseur noble, anmutig und elegant, auswachsen würde. Nach dem vergnüglichen Tanzunterricht in der Volksschule, kam die harte Arbeit an der Stange: „Das war nicht mehr so lustig. Ich habe mich bei der Prüfung versteckt, damit ich nicht an die Reihe komme.“ Er wurde aus der Ecke gezogen, bestand und „da war ich dann stolz und alles ging von selbst.“ Ehrgeiziges Kämpfen um Rollen war nicht notwendig. „Während der letzten zwei Jahre der achtjährigen Ausbildung durfte ich schon auf die Bühne und tanzte mit 18 Jahren meine erste Solorolle, den Franz in ,Coppelia‘.“ Keine kleine Partie. Als hochbegabtes Talent mit Idealfigur bekam Lazik nach der Ausbildung sofort ein Engagement beim Slowakischen Ballett. Dort hielt es ihn nicht lang, der junge Tänzer wollte in die Welt hinaus. Als er in Paris eben das Finale eines Wettbewerbs erreicht hatte, traf ein Brief aus Pretoria ein.

(c) Wiener Staatsballett / Michael Pöhn

Kämpfen. Die Ferne lockte. Der Abschied von der Familie fiel dem 19-Jährigen nicht schwer, „aber ich musste meine erste Liebe zurücklassen. Die Telefonkosten waren höher als meine Gage beim PACT-Ballett“. Nach einer Saison siegte die Liebe, der Jüngling kehrte nach Bratislava zurück. Lazik weiß nicht nur die Positionen beim Tanz richtig zu setzen, er kann auch Geschichten erzählen, lebhaft und mit Humor. Zurück in Bratislava, geht er kein festes Engagement beim Nationalballett ein: „Da haben dauernd die Direktoren gewechselt, das hat mir nicht gefallen.“ Er tanzte als Gast, „aber ich habe mit meinem früheren Lehrer fest trainiert, ich war nicht allein gelassen“. Ein Anruf aus Tel Aviv lässt ihn wieder den Koffer packen. Lazik tanzt im Israel Ballett. Die Hürde der zurückgelassenen Liebe kann diesmal übersprungen werden. „Meine Freundin hat vorgetanzt, wir wurden beide engagiert.“ Lange hält es ihn in der Superwohnung am Strand jedoch nicht. „Es war alles gut und schön, auch das Repertoire war okay, doch mir hat die Herausforderung gefehlt.“ Die Liebe hatte sich inzwischen auch verflüchtigt. „Ich sah keinen Grund mehr zu bleiben und durfte meinen Vertrag lösen.“ Wieder zu Hause in Bratislava engagiert ihn das Slowakische Nationalballett: „Mein alter Direktor war wieder an der Spitze.“ Eineinhalb Spielzeiten tanzt er sich als Erster Solist durch das klassische Repertoire. Nicht wirklich befriedigt. „Ich wollte noch mehr erfahren und lernen.“ Der unruhige Geist reist zum Vortanzen nach München, wo der tschechische Tänzer Ivan Liška gerade zum Ballettchef an der Bayerischen Staatsoper ernannt worden ist. Lazik darf bleiben, allerdings als Halbsolist. „Das war mir egal, auch wenn ich schon Erster Solist war. Die Frage ist doch, willst du ein großer Fisch in einem kleinen Teich sein oder lieber ein kleiner in einem großen? Ich wollte in den großen Teich.“ Lange blieb der Fisch nicht klein, nach einem Jahr war er Solist, ein Jahr später, 2003, Erster Solist. Und schon rumorte es wieder in Laziks Kopf und Beinen. Frustriert von Liškas unterschiedlicher Behandlung seiner Tänzer und nicht eingehaltenen Versprechen, wird er zum Kämpfer. Heute kann er die Geschichte der Enttäuschungen pointenreich erzählen, auch dass er als Geschlagener das Feld ­räumen musste. „Ivan war wirklich traurig, als ich sagte, ich gehe, doch er hat nicht nach­gegeben, und dann hat er mich gekündigt.“

Rettung. Da hatte Lazik aber schon mit dem damaligen Wiener Ballettchef Gyula Harangozó telefoniert und die Option auf ein Engagement in der Tasche. Er stürzte sich in ein neues Abenteuer, reiste nach Wien. Bestürzung. „Ich habe nicht gewusst, worauf ich mich da einlasse“, gesteht er heute, war doch die Direktionszeit Harangozós nicht die glanzvollste für das Wiener Ballettensemble. „Ich habe ihn nie im Ballettsaal gesehen und mich sehr allein gefühlt.“ Flüchten kam nicht in Frage. Dann kam Legris, die drei mageren Jahre waren zu Ende. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Chefs: Der von Harangozó abgeschaffte „Erste Solotänzer“ wird wieder eingeführt, und Lazik wird 2010, mit Vladimir Shishov, der „erste Erste“. Wird Lazik gefragt, ob er meint, dass der „Danseur noble“ ausstirbt, so ist er sicher: „Nein, nie. Es wird auch andere Prinzen geben, mit anderer Figur, aber das Bild des schlanken Tänzers mit makelloser Linienführung und außergewöhnlicher Technik ist in unseren Köpfen und wird niemals gelöscht werden.“

Happy End. Eben war er eine Woche in London, um mit dem Noriko Kobayashi Ballett „Gloria“, ein Werk des Meisterchoreografen Kenneth MacMillan, zu proben. Im August ist Premiere in Tokio. MacMillan wird er in der kommenden Saison auch in Wien tanzen, eine Rolle, die ihm am Herzen liegt: Kronprinz Rudolf in „Mayerling“. Außerdem war Lazik als „Onegin“ zu erleben. Wenn er gelegentlich zu hören bekommt, dass ihm Ästhetik wichtiger sei als Emotionalität, ärgert ihn das: „Ich fühle immer, wer ich bin, hier drinnen! Liebe und Schmerz. Wenn das nicht so rüberkommt, kann ich es nicht ändern.“ Obwohl Lazik im abstrakten Tanz besonders gute Figur macht, gilt seine Liebe dem Drama, der Dramatik. Letztlich ist es so: „Wann immer zwei Menschen auf der Bühne sind, entsteht eine Geschichte.“ Auch beim edlen Pas de deux Rudi van Dantzigs als Highlight der Nurejew-Gala kann sich jeder Zuschauer, jede Zuschauerin etwas ausdenken. Zum Beispiel eine Lovestory mit Happy End.

Tipp

Nurejew-Gala. Mit Choreografien von Balanchine, Béjart, Roland Petit u. a. Außer Roman Lazik tanzen Olga Esina, Maria Yakovleva, Kirill Kourlaev u. v. a., 28. 6., 18 Uhr, Staatsoper. Die Live-Übertragung des Balletts ist auf dem Karajan-Platz zu sehen.

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