Adrian Eröd: „Da kriegt die Musik einen irren Groove!“

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FOTOPROBE: "The Tempest"(c) WIENER STAATSOPER (MICHAEL PÖHN)
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Mit „The Tempest“ hat ein Opern-Hit des 21. Jahrhunderts in Wien Premiere, Adrian Eröd singt die Titelpartie: Wie bei ihm Verzweiflung in Begeisterung umschlug und warum Thomas Adès' Werk für ihn eine so großartige Oper ist.

Einer Vertonung von Shakespeares „Sturm“ galt eine der wenigen Uraufführungen, die an der Wiener Staatsoper stattgefunden haben. Bald nach der Wiedereröffnung des Hauses am Ring hatte 1956 die gleichnamige Oper von Frank Martin Premiere. Eberhard Waechter war damals der Prospero, Christa Ludwig die Miranda, Anton Dermota und Waldemar Kmentt alternierten in der Partie des Ferdinand. Ernest Ansermet absolvierte mit der Uraufführung und den ersten beiden Reprisen seine einzigen Auftritte an der Staatsoper.

Trotz Luxusbesetzung konnte sich dieses Werk nur zwei Spielzeiten im Repertoire halten und erlebte gerade einmal sieben Vorstellungen. Nun holt man „The Tempest“ aus der Feder von Thomas Adès in einer viel gerühmten Produktion Robert Lepages ans Haus. Diesem Werk ist jedenfalls sicher, dass es mit den Wiederholungen im kommenden Oktober auf acht Vorstellungen kommen wird. Weitere Reprisen scheinen nicht ausgeschlossen, denn „The Tempest“ hat sich bereits bewährt. In London uraufgeführt, hat das Werk des britischen Komponisten schon einen Siegeszug durch verschiedene Opernmetropolen hinter sich gebracht.

Nun steht es in Wien – wie schon anlässlich der Uraufführung in Covent Garden – unter der Leitung des Komponisten auf dem Programm. Den Prospero singt Adrian Eröd, der im Gespräch über diese Aufgabe ins Schwärmen kommt: „Das Stück ist schwer zu singen. Sehr schwer sogar“, sagt er, „vor allem deshalb, weil Adès für die Gesangsstimmen extrem schreibt: sehr hoch oder – für den Bass – sehr tief. Außerdem ist meine Partie besonders lang. Den ersten Akt, der etwa eine halbe Stunde dauert, singe ich quasi von Anfang bis Ende durch. Und auch danach sind die Herausforderungen enorm, nicht zuletzt auch rhythmisch. Aber, und jetzt kommt das große Aber: Es zahlt sich so aus!“

„Anfangs dachte ich: Unmöglich!“

Eröd hat seinen Part für eine Aufführungsserie in Frankfurt einstudiert und dachte beim ersten Durchblättern des Klavierauszugs: „Das ist völlig unmöglich.“ Je länger die Beschäftigung aber dauerte, je vertrauter der Sänger mit der Komposition wurde, desto mehr wuchs seine Begeisterung: „Wenn man es dann einmal kann, wenn man das Gefühl hat: Jetzt weiß ich, wo ich hinwill, dann macht es wirklich Spaß.“

Vor allem dann, wenn auch den Kollegen und den Musikern des Orchesters der Adès-Knopf aufgeht: „Merkt man, dass es alle wirklich draufhaben, dann“, so weiß Eröd von den Proben zu berichten, „ist allen klar, dass alles so und nicht anders sein kann. Dann kriegt die Musik einen irren Groove.“

Thomas Adès weiß offenbar, was er von seinen Interpreten verlangen kann, „was machbar ist und vor allem: was für das Theater Sinn hat. Jedenfalls ist der Prospero eine tolle Partie und ,The Tempest‘ eine tolle Oper.“ Vor allem sei es „eine richtige Oper“, ergänzt Eröd. „Ich glaube, das wird das Publikum auch mitbekommen. Seit 100 Jahren fragt man sich: Wo will die Oper hin? Ist es ein Schauspiel mit Musik oder Musik mit Schauspielern oder was weiß ich? Dieses intellektuelle Gerede verstummt hier im ersten Moment: ,The Tempest‘ ist eine Oper von Anfang bis Ende. Im Mittelpunkt steht das Stück von Shakespeare. Alles, was die Musik macht, ist bei aller Originalität und der Tatsache, dass sie wie jede gute Opernmusik auch für sich allein bestehen kann, immer im Sinn dieses Stückes. Sie erzählt das Stück. Sie erzählt etwas über die handelnden Personen, sie treibt die Handlung voran oder lässt sie, wo es nötig ist, auch einmal stillstehen, sie ist nirgends Selbstzweck.“

Überdies sei Adès, meint Adrian Eröd, auch nie der Versuchung verfallen, sich anzubiedern. „Auch wo die Musik schön wird, wirkt sie nicht simplifizierend oder pseudoklassisch. Das Liebesduett zum Beispiel ist halt einfach schöne Musik! Außerdem gibt es bewusste Anspielungen an Barock- und Renaissancemusik, wo das sinnvoll ist: vor allem, wenn der Hofstaat charakterisiert werden soll oder wenn Ariel seine überirdische Musik macht. Wenn sich Caliban als Herrscher aufspielt, dann singt er Pseudo-Händel-Koloraturen.“

Anknüpfen bei Purcell und Britten

Alles das passiere „gezielt, um das Verständnis des Stückes zu fördern. Ich bin ja nicht der Erste, der das sagt“, resümiert Eröd, „aber auch ich habe mir, als ich das Stück das erste Mal mit Orchester gehört habe, gedacht, Adès denkt Britten weiter für das 21. Jahrhundert. Er macht nichts nach, aber er ist ein Engländer, der Opern schreibt und logischerweise anknüpft bei Purcell und Britten, mit dem ihn das offenkundige Bühnentalent verbindet, das ja nicht jeder große Komponist hat. Das muss angeboren sein. ,The Tempest‘ war die erste große Oper, die Adès geschrieben hat, und sie wurde zum ersten wirklichen Opern-Hit des 21. Jahrhunderts!“

Adrian Eröd, der im Sommer bei den Salzburger Festspielen wieder den Faninal im „Rosenkavalier“ unter Franz Welser-Möst singen wird, kehrt im Herbst an sein früheres Stammhaus in Wien zurück, in der von Christian Thielemann dirigierten Premiere von Humperdincks „Hänsel und Gretel“ (19. November). Zu Silvester wird er wieder als Eisenstein in der „Fledermaus“ zu erleben sein.

Mit Thielemann gibt es überdies Konzertprojekte, in Tokio ist Eröd der Albert in einer „Werther“-Neuinszenierung. „Und ich freue mich auf mein Debüt an der Mailänder Scala im Juni 2016.“ Der aus Salzburg übernommene „Rosenkavalier“ in Harry Kupfers Inszenierung wird dort, wie ursprünglich auch an der Salzach geplant, von Zubin Mehta dirigiert. Adrian Eröd ist zum weltreisenden Bariton geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.06.2015)

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