Nielsens andere Symphonie

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Die Wiener Symphoniker beschlossen die Saison mit einem Beethoven-Nielsen-Programm unter Herbert Blomstedt.

Im ersten Satz die Ideen, der zweite dazu als langsamer Kontrast, der dritte als vorweggenommenes Finale, für das dann die entsprechende Inspiration fehlt. So ironisch charakterisierte der Däne Carl Nielsen das Konzept der klassisch-romantischen Symphonie. Und zeigte am Beispiel seiner Symphonien, dass es auch anders geht. Etwa bei seiner vorletzten, der Fünften. Sie besteht aus zwei Abteilungen, die wiederum in mehrere, atmosphärisch unterschiedliche Abschnitte gegliedert sind. Die erste, in einem weitgespannten, dramatischen Adagio mündende, Abteilung baut im Wesentlichen auf der Idee der kleinen Terz. Die thematisch noch abwechslungsreichere zweite wartet mit zwei fugierten Abschnitten auf. Eine effektvoll gesteigerte Coda mit Anklängen an Themen des ersten Satzes sorgt für den apotheotischen Schluss dieses originellen wie unkonventionellen Opus 50. Ein anspruchsvolles Werk, das sich beim ersten Hören kaum erschließt, auch dem Dirigenten einiges abverlangt, um die Vielfalt dieser Musik zu überzeugender Einheit zu bündeln.

Für den mit staunenswerter Agilität agierenden Herbert Blomstedt war Nielsen immer schon ein besonderes Anliegen. Schon vor Jahrzehnten hat er mit dem San Francisco Symphony Orchestra, dessen Chefdirigent er zehn Jahre lang war, eine exemplarische Einspielung aller Nielsen-Symphonien vorgelegt. Maßstab für alle, die sich an diesem Repertoire messen. Lässt man sich von Blomstedts profunder Nielsen-Begeisterung anstecken, dann freilich musizieren selbst Klangkörper, die diese Musik nicht zu ihrem Kernrepertoire zählen, diese Werke, als wären sie mit ihnen quasi aufgewachsen. Wie die Wiener Symphoniker, die sich Nielsens Fünfter mit staunenswerter Selbstverständlichkeit, brillanten Soli und temperamentvollem Elan geradezu modellhaft widmeten.

Mit Beethoven in die neue Saison

Keine Überraschung, würden die Symphoniker einen Live-Mitschnitt dieser Aufführung im Rahmen ihrer CD-Serie publizieren. Vielleicht gleich mit Beethovens ebenso natürlich, spannend und in den Tempi und der Dynamik höchst ausgewogen präsentierter Vierten, mit der dieser Abend eröffnet wurde und mit der sich Blomstedt einmal mehr als Beethoven-Interpret von Graden erwies. Mit Beethovens siebenter und achter Symphonie wird der mittlerweile 87-jährige Maestro im Oktober die neue philharmonische Saison eröffnen. (dob)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.