Konzerthaus: Nicht durchwegs luxuriös

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Anna Netrebko und Freunde starteten im Konzerthaus Wien mit "Vocal Extravaganza".

„Non ti scordar di me“, vergiss mich nicht – und wie auch? Ein wirklicher Ohrwurm, dieser Filmschlager von Ernesto De Curtis, geschrieben 1935 für Beniamino Gigli, und als solcher dürfte er noch etliche Konzertbesucher auf ihrem Heimweg begleitet haben. Auch den Solisten schien er Spaß zu machen. Nicht nur schwelgten sie unter tenoraler Führung in seinen Kantilenen, sondern wandelten ihn gleich auch in einen veritablen L'amour-Hatscher um: Sowohl Ildar Abdrazakov und Ekaterina Gubanova als auch Anna Netrebko und Yusif Eyvazov legten eine zärtlich-sanfte Sohle aufs Konzerthausparkett, und das ORF-Radio-Symphonieorchester Wien verdingte sich mit Marco Armiliato am Pult als exquisite Tanzkapelle. Das hob die Stimmung – und das Publikum aus den Sitzen.

Als Zugabe beschloss diese Nummer den Auftakt zu einer von Universal Music veranstalteten Tournee, die in den nächsten Tagen noch Versailles, Moskau, Prag und Barcelona ansteuert, wobei Armiliato jeweils lokale Klangkörper auf das Repertoire von Verdi bis Verismo einschwören wird. Weil nur die Lumpen bescheiden sind, nennt sich das Ganze „Vocal Extravaganza“, obwohl stimmlicher Luxus nicht gerade pausenlos die Ohren umschmeichelte.

Einspringer Yusif Eyvazov

Daran hätte auch Aleksandrs Antonenko nichts ändern können. Schade, dass durch seine Absage die einzige Rarität des Abends ausfiel, das Schlussterzett aus den „Lombardi“. Die heldischen Herausforderungen nahm der Einspringer Yusif Eyvazov jedoch an: Immerhin hat er sich schon 2013 unter Riccardo Muti an den kompletten Otello gewagt, die Partie freilich seither ruhen lassen. Im Liebesduett schien ihn nur das eigene Forte noch mehr anzuziehen als Netrebkos klanglich füllige und doch zarte Desdemona: Eyvazovs Mittellage klingt unfokussiert rau, eher kann er mit strahlenden, manchmal aber forcierten Spitzentönen punkten – und erinnert dann nicht nur äußerlich an José Cura. Als Radamès gelingt ihm auf dem hohen B immerhin ein kleines Decrescendo, als Canio suhlt er sich zuerst diszipliniert in breit strömenden Phrasen, um dann doch zu outrieren wie weiland Mario del Monaco: ein unausgeglichenes Bild. Vorläufig wird er als Netrebkos Verlobter bekannter bleiben denn als Tenor.

Völlig ausgeglichen dagegen Abdrazakov, wenn auch nicht allzu aufregend; ein fürstlicher Attila und Silva, jeweils beide Cabaletta-Strophen inklusive. Und auch Gubanova tönte als Bouillon, Santuzza und Amneris eher verlässlich als brillant. Blieb Netrebko als unbestrittener, dann doch noch Luxus suggerierender Glanzpunkt. Im Piano mag die Höhe etwas flackern, doch phrasierte sie Aidas Nil-Arie mit Noblesse – und wenn sie als Butterfly vergeblich vom wiederkehrenden Liebesglück träumt, kommt der opulente rote Samt ihres Soprans besonders gut zur Geltung.

Im November geht das Universal-Abonnement „Great Voices“ mit Juan Diego Flórez und Pretty Yende weiter; außerdem kommen Angela Gheorgiu, Piotr Beczala u. a.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.07.2015)

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