Aufregung im Patschenkino: Beethovens „Missa“!

Heimspiel f�r Harnoncourt 25 Jahre styriarte
Heimspiel f�r Harnoncourt 25 Jahre styriarte(c) ORF (styriarte/Werner Kmetitsch)
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Vorbei sind die Zeiten, da man nur um viel Geld in Salzburg und Bayreuth dabei sein konnte. Heutzutage genügt es, sich die Termine der Fernsehübertragungen zu notieren. Graz eröffnete.

Viel Spannenderes als eine Aufführung der „Missa solemnis“ gibt es ja nicht. Zumal dann, wenn Nikolaus Harnoncourt am Dirigentenpult steht. So gesehen ist sozusagen der Thrillereffekt des Festspielsommers 2015 schon vorbei, denn die TV-Übertragung des Styriarte-Konzerts stand am Beginn einer Serie von Frei-Haus-Lieferungen markanter Festivalereignisse.

Dieser Sommer bringt aber noch allerhand spannende Dinge, vor allem eine echte Neuerung: Die Bayreuther Festspiele, traditionsgemäß sehr vorsichtig und erst nach mehreren Durchläufen von Inszenierungen geneigt, Kameras zuzulassen, haben sich durchgerungen, den neuen „Tristan“ schon wenige Tage nach der Premiere via TV in die Welt schicken zu lassen. Wer nur die musikalische Seite des Abends genießen möchte, hat – wie gewohnt – schon am Premierenabend die Chance, die Liveübertragung in Bayern4 zu hören. Erstmals aber ist die Neuinszenierung auch zu sehen: auf 3sat am 8.August.

3sat zeigt auch als erster Sender die neue Bregenzer „Turandot“ (24.Juli), ORF III legt zwei Tage später die Produktion aus dem Festspielhaus nach: Stefan Herheims Inszenierung von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Aus St.Margarethen kommt auf demselben Sender die „Tosca“ (2.), aus Mörbisch die „Nacht in Venedig“ (9.August). Aus Salzburg überträgt ORF2 den „Fidelio“ mit Jonas Kaufmann und Adrianne Pieczonka unter Franz Welser-Möst (13.August).

Zum Auftakt gab es – als Vorgeschmack auf die Salzburger Festspielaufführung in der Eröffnungswoche mit geistlicher Musik – Beethovens „Missa solemnis“ unter Nikolaus Harnoncourt. Das war tatsächlich ein veritabler Musikkrimi.

Kriminalgeschichte um Glaubensfragen

Was wiederum an Beethovens Komposition liegt, die zum Schwierigsten gehört, das die Klassik den Nachgeborenen hinterlassen hat. Selbst hochmögende Kommentatoren vom Schlage eines Theodor W. Adorno haben zugegeben, sich in dieser Partitur einfach nicht zurechtzufinden. In diesem Sinn sind wohl die besten Wiedergaben des Werks jene, die am meisten Fragen für den Hörer aufwerfen. Da ist Harnoncourt natürlich gerade der Richtige, der diesmal gar keine Kompromisse mehr eingeht und mit seinen vertrautesten Mitarbeitern agiert: dem Arnold-Schönberg-Chor und dem Concentus musicus. Klanglich ist da nicht die kleinste Konzession an das romantische Schönheitsideal mehr zu hören. Die architektonischen Teile prallen ohne Puffer aufeinander, die grellen, ungeschminkten Bilder des Ordinarium-Textes sind entsprechend rau und senza compimenti in akustische Zeichen verwandelt; vor allem hört man den Zweifler, den ringenden Beethoven – die Bitte um Erlösung dringt durch wilde Kriegsmusik, und man darf nicht sicher sein, dass sie gehört wird. Oder doch?

Das Solistenquartett, angeführt von der auch in höchsten Höhen bewundernswert sicheren, klaren Laura Aikin und der hochexpressiven Bernarda Fink trug die Gratwanderung beherzt mit. Ergriffenheit zum Auftakt – sie scheint auch der Salzburger Ouverture spirituelle sicher, in der diese „Missa“ am 22.Juli erklingen wird.

MUSIK IM FERNSEHEN

„Turandot“ von den Bregenzer Festspielen: 24.Juli, 21.20 Uhr (3sat) sowie 26.Juli auf ORF III (20.15h)

„Hoffmanns Erzählungen“ (Bregenz): 26.Juli, ORFIII (22.45 Uhr)

„Tosca“ (St. Margarethen): 2.8., ORF III (20.15h)

„Tristan und Isolde“ Bayreuth: 8.8., 3sat (20.15h)

„Nacht in Venedig“ (Mörbisch) 9.8., ORF III (20.15)

„Fidelio“ (Salzburg), 13.8., ORF2, 22.8., 3sat (20.15)

„Die Dreigroschenoper“ Dokumentation zur Salzburger Produktion: 15. 8., ORF2 (9.05 Uhr)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.07.2015)

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