Harry Kupfer: 80 und voller Energie

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Der Berliner Regisseur feiert Geburtstag – wie zu erwarten, bei der Arbeit: In Salzburg besorgt er gerade die Wiederaufnahme seiner „Rosenkavalier“-Produktion.

Harry Kupfer ist 80 geworden. Er feierte auf seine Weise. Wer ihn kennt, weiß, dass das heißt: Er tat es bei der Arbeit. An seinem Geburtstag war er in Salzburg, beschäftigt gerade mit der Einstudierung der Wiederaufnahme seiner „Rosenkavalier“-Inszenierung aus dem Vorjahr.

Eine Wiederaufnahme bedeutet für diesen Präzisionshandwerker ja nicht weniger als eine echte Premiere. Ein paar Leute sind neu in der Besetzung. Und die meisten anderen haben längst vergessen, was er ihnen vor zwölf Monaten beigebracht hat.

Was der gebürtige Berliner nicht leiden kann, ist Schlamperei. Sein ganzes Künstlerleben ist ein einziger Kraftakt gegen diese Untugend. Schlamperei ist, wenn der Text nicht ordentlich artikuliert wird. Schlamperei, wenn ein Darsteller nicht beachtet, dass, während er gerade über die Bühne geht, im Orchester eine bedeutungsvolle Modulation stattfindet – nach der man nicht einfach weiterlatschen kann wie vorher.

Dergleichen bekämpft Harry Kupfer mit unerbittlicher Leidenschaft. Er ist einer der wenigen Vertreter seiner Zunft, die sich wirklich Opernregisseur nennen dürfen, weil sie nicht nur den Libretto-Text, sondern auch die Partitur lesen können. Wer seine Inszenierung kennt, weiß, dass niemals das Wort im Vordergrund steht. Aber auch niemals die Musik. Oper, das ist ja die Multiplikation dieser beiden zutiefst menschlichen Sprachebenen. Die Summe des Rechenkunststücks gebiert das Kunstwerk aus Licht und Bewegung: die „Inszenierung“.

Wie viele seiner Kollegen kommen gut über die Runden, indem sie auf das Provokationspotenzial ihrer Bühnenbildner und Kostümschneider vertrauen? Ist das Publikum empört, sobald sich der Vorhang hebt, gewinnen sich die Lobeshymnen des deutschen Feuilletons ganz ohne Anstrengung, sprich: auch ohne jegliche nennenswerte Personenführung. Bei Kupfer ist das ganz anders. Er lässt sich suggestive Räume bauen, die möglichst jene Atmosphäre vermitteln, die der Gehalt des zu interpretierenden Werks suggeriert.

Und in diesen Räumen erzählt er dann die Geschichte. Und da ist jede kleinste Gebärde, jeder Augenaufschlag Teil eines präzis abschnurrenden choreografischen Kontinuums, das mit dem ersten Ton des Orchesters beginnt – oder schon ein bisschen früher, um diesen quasi zu provozieren; und das ohne Unterlass konsequent bis zum Schlussakkord entwickelt, gesteigert, zu Ende geführt wird; und jedenfalls noch lange nachwirkt, nachdem der Zuschauer das Theater verlassen hat.

Der Salzburger „Rosenkavalier“ ist ein Musterbeispiel für das, was Harry Kupfer kann: Er hat – nota bene als erster Regisseur ohne jede Kürzung! – die Geschichte erzählt, die Hofmannsthal gedichtet hat, mit allen Pointen und Kommentaren, die Richard Strauss dazuzusetzen wusste. Und er hat schon dadurch, dass endlich einmal alles zu hören und zu sehen war, eine wirkliche Interpretation des Stücks geboten.

Wollen wir es salopp formulieren? Harry Kupfer gibt nicht, wie die meisten Kollegen, nur einfach seinen Senf dazu. Er liefert auch die Würstel. Das tut er auch im 81. Lebensjahr, ohne an Urlaub zu denken: Bald kehrt in Wien „Mozart! Das Musical“ wieder, im Oktober hat in Frankfurt Glinkas „Leben für den Zaren“ Premiere . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2015)

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