Lehár-Festspiele: Als die Zwölftöner noch ins Kabarett gingen

Neben Operette und „Kaisergala“ kamen auch Meister der Wiener Schule zu ihrem Recht.

Michael Lakner ist ein höchst vielseitiger Intendant. Einerseits leitet er in Bad Ischl eines der wichtigsten österreichischen Festivals, die sich der heiklen Gattung Musical verschrieben haben. Andererseits ist er ausgebildeter Konzertpianist und kann als Interpret im Rahmen seines Wirkungskreises etwas für die immer noch sogenannte Neue Musik tun.

Das führt zu erstaunlichen Programmkombinationen. Im Vorjahr gab es nebst Walzerklängen auch eine Aufführung von Paul Hindemiths rarem Rilke-Zyklus „Das Marienleben,“ deren Mitschnitt mittlerweile auf CD (CPO) erschienen ist. Heuer servierte dasselbe Künstlerduo – die schweizerische Sopranistin Maya Boog und Intendant Lakner am Klavier – eine bunte Liederfolge von den auch nicht gerade für Operettenklänge berühmten Komponisten Richard Strauss, Alban Berg und Arnold Schönberg.

Wozu zu sagen ist, dass der Ahnvater der Moderne, Schönberg, am Beginn seiner Karriere allerhand mit der Unterhaltungsindustrie zu tun hatte und für Kollegen, die mit weniger komplizierter Musik weitaus mehr Geld verdient haben, Operettenpartituren erstellt hat. So soll einer der Akte von Richard Heubergers „Opernball“ von Schönberg orchestriert worden sein (ein anderer mit Sicherheit von Alexander Zemlinsky!). Auch sonst lässt sich bei einiger Mühewaltung der Gründer der sogenannten Neuen Wiener Schule beim Schwimmen in seichteren Gewässern aufspüren.

Schmunzeln in humorfreier Zone

Wer ein Schlüsselwerk der Moderne, den „Pierrot Lunaire“, richtig bewerten möchte, muss beispielsweise wissen, dass Schönberg 1901 anlässlich eines Gastspiels von Ernst von Wolzogens Berliner Kabarett „Überbrettl“ acht sogenannte Brettl-Lieder komponiert hat, die ihn von seiner humorigen Seite zeigen, was – wie man weiß – im Rahmen der sonst eher humorfreien Zone um die musikalische Avantgarde eine echte Ausnahmeerscheinung darstellt.

Der Diseusenton, den die schlüpfrigen Kabarettlieder verlangen, kehrt, verwandelt, im „Pierrot“ wieder. Doch wird hier noch wirklich gesungen, nicht auf Tonhöhen gesprochen, was für Maya Boog bedeutet, die oft augenzwinkernden Pointen des Textes in geschmeidige Melodielinien zu binden.

Das gelingt ihr ebenso vorzüglich, wie Michael Lakner es schafft, die vertrackten, kleinteilig arrangierten klingenden Gegenstücke zu dem Wortwitz in weit geschwungene harmonische Strukturen darzustellen. Dass Schönberg sich diesbezüglich viel von Richard Strauss abgeschaut hat, wird deutlich, wenn man die Lieder einem Zyklus wie den zauberhaften „Mädchenblumen“ (nach Felix Dahn) gegenüberstellt: Auch da wird jede kleinste Sprachregung in ein akustischen Zeichen umgewandelt, das doch wiederum nur ein Tropfen im Strom jenes vollkommenen spätromantischen Wohllauts ist, aus dem heraus auch Alban Berg die Inspiration für seine frühen Lieder geholt hat, mit dem Boog und Lakner ihre Matinee in der Ischler Trinkhalle begonnen haben.

Operettenverwöhnte Zaungäste werden gestaunt haben, in wie viel Dur und Moll der „Wozzeck“-Schöpfer da noch geschwelgt hat; der Kenner ahnt, warum es Berg im letzten vollendeten Werk, dem Violinkonzert, wieder nach B-Dur zurückgezogen hat... (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

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