Allegro Vivo: Tönende Skurrilität, große Romantik

(C) Stift Altenburg
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Im barocken Rahmen von Stift Altenburg musizierten die Dozenten der Sommerakademie des Festivals Raritäten: ein Schubert-Fragment, Ravel und Fauré.

Schon aufgrund der Fresken von Paul Troger wäre Stift Altenburg einen Besuch wert. Umso mehr ist es das, wenn man in der Stiftsbibliothek im Rahmen des Festivals Allegro Vivo „Auserlesenes“ erleben kann. Die Artists in Residence, mehrheitlich Professoren der Sommerakademie des Festivals, führen das Publikum in kaum bekannte Winkel der Kammermusik.

In Schuberts unvollendetem Streichtrio in B-Dur (D 471), deutlich hörbar in Anlehnung an die Vorbilder Mozart und Haydn komponiert, meint man die Intimität des Schubert'schen Wohnzimmers zu spüren. Schubert hat das Stück im Alter von 19 Jahren als Hausmusik (Vater Schubert am Cello, der Bruder an der Violine, er selbst an der Bratsche) geschrieben. Spekulationen zufolge ließ er sein Werk nach Fertigstellung des ersten Satzes und lediglich 39 Takten des zweiten Satzes deshalb unvollendet, weil ihm das Werk doch zu sehr den Idolen verhaftet schien.

Mit Maurice Ravels Duo für Violine und Violoncello „A la mémoire de Claude Debussy“ folgt der perfekte Kontrast. Bei der Uraufführung verschmäht, trifft das zwei Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Satzes in einer Ausgabe der „Revue musicale“ zu einer Sonate erweiterte Stück beim musikalisch geschulten Publikum in Stift Altenburg auf pure Begeisterung.

Extreme Pizzicati

Fast unmerklich wechselt Melodieführung und Begleitung zwischen den beiden Instrumenten hin und her, die absolut ebenbürtig behandelt sind. Ravel experimentierte in diesem Stück mit den unterschiedlichsten Spieltechniken. Unter anderem zeigt sich dies auch in Passagen, in denen man anstelle des Cellos einen Kontrabass in Jazzmanier zu hören meint. Skurrilität offenbart sich im letzten Satz, der nach Ravels eigener Beschreibung wie ein „lapin mécanique“, ein mechanischer Spielzeughase, zu spielen ist und mit seinen extremen Pizzicati so manchen schmunzeln lässt. Ganz im Sinn einer „musique pour faire plaisir“ präsentiert sich Jean Françaix' Trio für Violine, Viola und Violoncello verspielt und ohne großen emotionalen Anspruch. Die überbordende Vielfalt, kunstvoll in Form gegossen, verlangt den Interpreten einiges ab.

Auch das ist Kammermusik: Gabriel Faurés Klavierquartett in c-Moll op. 15 lässt mit fast orchestralem Klang raumfüllend ein impressionistisches Bild entstehen, reich an Farben und Stimmungen. Tänzelnd, phasenweise in melodischer Schwermut versinkend, beweist Markus Schirmer flinke Finger und großes Einfühlungsvermögen. Harmonisch zu einer Einheit verschmelzend, ordnen Christian Altenburger (Violine), Thomas Selditz (Viola) und Patrick Demenga (Violoncello) ihr solistisches Können ganz dem Ensemblegedanken unter. Dank der hervorragenden akustischen Bedingungen in der Stiftsbibliothek und des außergewöhnlichen Ambientes gerät der Abend – entsprechend dem Festivalmotto – „inspirierend“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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