Völkerverbindendes mit Seeblick

(c) Michaela Bruckberger
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Josef E. Köpplinger, Intendant des Münchner Gärtnerplatz-Theaters, bereitet die Volksopern-Premiere des „Weißen Rössls“ vor und schwärmt von der leichten Muse.

Ich freu mich über das Comeback der Operette. In Wien war sie ja nie weg“, sagt Josef Ernst Köpplinger: „Aber in München oder Berlin kommen Versuche mit Operetten einer Wiedererweckung gleich. Toll, dass etwa die ,Zirkusprinzessin‘ an der Rheinoper in Düsseldorf in die Verlängerung geht und permanent ausverkauft ist!“

Das Publikum entdeckt die Operette offenbar wieder. „Und ich mag es, wenn die Rollen mit Singschauspielern besetzt sind.“ Da käme eine spezifische Qualität ins Spiel, die durch die Aufführungstradition ein wenig ins Abseits gedrängt wurde: „Bei der ,Fledermaus‘ zum Beispiel erliegen wir ja einem Missverständnis. Die erste Rosalinde war eine Singschauspielerin, keine Operndiva!“

Wobei die Arbeit mit Schauspielern im Musiktheater für Köpplinger immer besonders spannend ist: „Die Schauspieler kommen drauf, wie wenig Zeit Sänger haben, eine szenische Produktion zu erarbeiten. Die Sänger wiederum lernen von den Kollegen die Wahrhaftigkeit der Darstellung. Wobei es natürlich Sänger gibt, die beides können . . .“

Die Spieltradition populärer Werke zu hinterfragen, hat Köpplinger schon in jungen Jahren gelernt. Nicht zuletzt bei Werken jenseits der „goldenen Operettenära“ kommt man rasch in gefährliches Fahrwasser. „Ich war zarte 26 Jahre alt“, erinnert sich Köpplinger an seine erste Inszenierung des „Weißen Rössls“ in Regensburg. Schon eine Gattungsbezeichnung findet sich für das Stück nicht leicht: Operette? Das „erste Musical“? In Berlin freute man sich anlässlich der Uraufführung an einer schwungvollen Revue, von einem riesigen Orchester begleitet. Wie in der Branche üblich, hat sich das „Rössl“ sofort verwandelt, wurde für jede neue Produktion überarbeitet, umarrangiert – als Köpplinger seinen Einstand feierte, gab man selbstverständlich die Nachkriegs-Fassung aus den Fünfzigerjahren, die auch hierzulande unzählige Aufführung erlebt hat.

Der Regisseur erinnert sich: „Ich bin über dem Stück gesessen und habe gestrichen und umgeschrieben: Wie bringe ich diese Persiflage ins Heute? Diese Revuen“, sagt Köpplinger, „hatten in genialer Verbindung von Entertainment und Kunst etwas Völkerverbindendes. Das ist ja bis heute eine Chance des Theaters, die wir ohne Wenn und Aber zu erfüllen haben. Da muss man den Autoren auch vertrauen: Mit wie viel Witz und Gespür da gearbeitet worden ist. Das kann in seinem Raffinement mit jedem Hollywoodschinken dieser Zeit mithalten!“

Parodistisches und jüdischer Witz

Gerade der Umgang mit einem Werk, in dem Österreich-Klischees, Preußen-Klischees und jüdischer Witz amalgamiert erscheinen, stimmt einen heutigen Regisseur auch melancholisch: „Dass der jüdische Einfluss verschwunden ist, hat die Operette ja gekillt.“ Treppenwitz der Aufführungsgeschichte: Das Gärtnerplatztheater in München, dessen Intendant Köpplinger seit 2012 ist, war „Uraufführungsort“ der allseits geliebten Fünfzigerjahre-Fassung des „Weißen Rössls“. Zum Einstand als Intendant brachte Köpplinger dann die Berliner Urfassung des Werks auf die Bühne, die man vor einigen Jahren in Agram wieder aufgefunden hat: „Eine Version, die viel transparenter, im Orchester – inklusive Jazz-Combo – weitaus differenzierter klingt als die, die wir gewöhnt waren. Das war so etwas wie eine Rehabilitation“. Ab 6.September auch an der Volksoper.

ZUR PERSON

Josef Ernst Köpplinger, 1964 in Hainburg geboren, war Intendant in St. Gallen und Klagenfurt, ehe er 2012 die Leitung des Gärtnerplatz-Theaters in München übernahm. Seine Inszenierung des „Weißen Rössls“ hat am 6.September in der Volksoper Premiere. [ Helge Bauer ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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