Grafenegg: Jubel für Wagners Lieder

GRAFENEGG
GRAFENEGG(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die Wiener Philharmoniker unter Semyon Bychkov präsentierten ihr Tourneeprogramm.

Mit gleich zwei Dirigenten brechen die Philharmoniker zu ihrer September-Tournee auf: Sir Simon Rattle und Semyon Bychkov. Unter dem Noch-Chef der Berliner Kollegen werden sie Elgars Oratorium „The Dream of Gerontius“ in Birmingham, bei den „Proms“ und beim Lucerne-Festival spielen. Mit Bychkov haben sie mehrere Programme erarbeitet, in Grafenegg stellten sie das vor, mit dem sie in Luzern auftreten werden: Haydns als „Trauersymphonie“ bekannte e-Moll-Symphonie, die Dritte Brahms und vor allem Wagners Wesendonck-Lieder mit Elisabeth Kulman als Solistin. Schon bei der Salzburger Mozartwoche 2013 war eine außerordentliche Darstellung gelungen, die sich nun in Grafenegg wiederholte, mehr noch: verdichtete. Wohl niemand kann heute diese Lieder mit solcher Wortdeutlichkeit, Phrasierungsintelligenz, vokaler Geschmeidigkeit und emotionaler Dichte darstellen wie Kulman. Freilich konnte sie auch auf eine ideale Begleitung zählen. Sie zeugte einmal mehr von der hierzulande viel zu wenig genutzten Wagner-Kompetenz Semyon Bychkovs. Auch die Soli in der Orchestrierung von Felix Mottl – Wagner selbst hat von diesen „Tristan“-nahen Liebesgeständnissen nur das letzte, „Träume“, für Orchester gesetzt – waren vom Feinsten.

Die in kleinerer Besetzung realisierte Haydn-Symphonie hätte im Auditorium – wohin des Wetters wegen nach der Pause gewechselt wurde – wohl besser geklungen als im Wolkenturm, dort hätte man deutlicher die Differenzierungen wahrgenommen, die Bychkov seinen meisterhaft exakt musizierenden Mitstreitern abverlangte.

Trotz aller minutiösen Detailarbeit konnte dies, abgesehen vom mit drängendem Drive interpretierten Schlusssatz, nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der russische Maestro in der romantischen Symphonik wohler fühlt als in der Wiener Klassik. Das zeigte seine zuweilen dramatisch aufgeheizte, dynamisch breit gefächerte Deutung der dritten Brahms-Symphonie. So gelesen ist sie trotz ihres im Pianissimo ausklingenden Finales durchaus als effektvolles Schlussstück denkbar, auch das zeigte dieses Grafenegger „Philharmonische“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2015)

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