Musikverein: Zarathustra sprach diesmal nicht so überlaut

SALZBURGER FESTSPIELE 2015: FOTOPROBE ´DER ROSENKAVALIER´
SALZBURGER FESTSPIELE 2015: FOTOPROBE ´DER ROSENKAVALIER´(c) APA/BARBARA GINDL (BARBARA GINDL)
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Das Cleveland Orchestra unter Welser-Möst begann seine Residenz mit Strauss und Messiaen.

„Oh Zarathustra! Klatsche doch nicht so fürchterlich mit deiner Peitsche! Du weißt es ja: Lärm mordet Gedanken“: So entgegnet „das Leben“ in Nietzsches „Also sprach Zarathustra“ dem zum Propheten gewordenen Einsiedler. Eduard Hanslick zitierte 1897 die Stelle leicht abgewandelt in seiner polemisch unterfütterten Kritik zur Wiener Erstaufführung von Richard Strauss' Tondichtung „Also sprach Zarathustra“. Nie hätte er sich wohl träumen lassen, dass zumindest die ersten 21 Takte des Werks am Anfang des 21. Jahrhunderts zu den bekanntesten Ausschnitten klassischer Musik zählen würden. Bei Franz Welser-Möst und dem Cleveland Orchestra jedenfalls lief der Gedanke dieses Beginns nie Gefahr, vom Lärm gemeuchelt zu werden. Streng verharrte der hohe Besuch aus Ohio in der gar nicht bombastischen, sondern eigentlich sehr gezügelten Dynamik, die Strauss hier vorschreibt und die weitgehend zwischen Pianissimo und einfachem Forte angesiedelt ist. Und plötzlich verwandelte sich dieser oft weit über Gebühr aufgeblähte Sonnenaufgang bei aller Monumentalität in das zurück, was er ist: eine Einleitung, die auf das Kommende hinzielt und es nicht zum riesenhaften Anhängsel abwertet.

Schimmernder Messiaen

Das Cleveland Orchestra residiert also wieder im Wiener Musikverein, und zwar in sowohl geradezu epischer Breite als auch angestrebter programmatischer Tiefe: In vier Konzerten kombiniert Franz Welser-Möst Musik des glühenden Katholiken Olivier Messiaen mit Werken von religions- und glaubenskritisch eingestellten Komponisten – neben Strauss etwa noch Verdi und Mahler. Den überaus respektablen Auftakt begannen Messiaens „L'Ascension“ (1933) und seine „Couleurs de la Cité Céleste“ (1963), zwei Stücke, in denen sich die Vorzüge des Orchesters fast katalogartig überprüfen ließen: die schimmernde Geschmeidigkeit des Blechs, die pittoresk gemischten Farben der Holzbläser, die leuchtenden Choräle der Streicher, die rhythmischen Zuspitzungen des Schlagzeugs.

Trotzdem blieben dort wie da auch Wünsche offen: In den wildesten Fortefortissimo-Stürmen des „Zarathustra“ geriet die bis dahin so lobenswerte Klangbalance doch noch ins Hintertreffen; die Doppelgriffe des Konzertmeisters im „Tanzlied“ kamen überraschend unsauber. Und wenn im zweiten Satz von „L'Ascension“ die Streicher den Bläsern plötzlich eine eigene Schicht entgegenhalten, dann könnte das den Effekt eines geheimnisvoll-überschwänglichen Strahlens machen, tönte diesmal aber nur brav und ausgeglichen. Dennoch: dankbarer Jubel. (wawe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.10.2015)

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