Buchbinder weiß: Bei Beethoven gibt es stets Neues zu entdecken

(c) Teresa Zötl
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Rudolf Buchbinder begann seinen fünfzigsten Beethoven-Sonaten-Zyklus unter anderem mit den beiden Fantasiesonaten.

Manche Interpreten verbindet man ganz innig mit einem Komponisten. Etwa Rudolf Buchbinder mit Beethoven. Was, wie jede Verallgemeinerung, zu kurz greift. Denn sein Repertoire reicht von Bach bis in die Gegenwart. Trotzdem kommt er immer wieder auf zwei Werkzyklen zurück, die er meist auch integral aufführt: die Mozart-Klavierkonzerte und eben die 32 Beethoven-Klaviersonaten.

Dreimal hat er Letztere eingespielt: einmal im Studio für Schallplatte, dann live für CD in der Dresdner Semperoper, und demnächst kommt sein Livemitschnitt vom vorigen Salzburger Festspielsommer – damals spielte er die Beethoven-Sonaten im Mozarteum – auf DVD heraus. Längst hat er diesem Thema auch ein Buch gewidmet, „Mein Beethoven“, eine Mischung aus Liebeserklärung an diesen Komponisten, Analysen und Erfahrungen als Apologet. Dort findet man auch so manche Erklärung für den Beethoven-Weg, den Buchbinder im Lauf der Jahre für sich beschritten und zum Beethoven-Bild, das er sich erarbeitet hat.

In seinem 50. Beethoven-Zyklus spielt Buchbinder die Sonaten nicht der Reihe nach, sondern stellt Zusammenstellungen zur Diskussion, aus denen die stilistische, melodische und rhythmische Vielfalt dieser Werke besonders deutlich hervortritt. Dass er Beethoven heute freier spielt als vor einigen Jahren, ist nicht mit Eigenmächtigkeit zu verwechseln. Vielmehr mit der Ambition, immer wieder aufs Neue auf Entdeckungsreise in diesem Kosmos zu gehen, der ihn – wie man an diesem Eröffnungsabend zu seinem Jubiläumszyklus im Wiener Musikverein deutlich spüren konnte – nach wie vor fasziniert. Mehr noch: innerlich bewegt. Dass er, ehe er sich mit Beethoven so intensiv zu befassen begann, erst einmal die erste Gesamteinspielung der Haydn-Klaviersonaten vorlegte, ließ der Pianist bei der mit lockerem Elan musizierten einleitenden f-Moll-Sonate Opus 2/1 erkennen. Sie rückt er damit weniger ins Licht der späteren f-Moll-Sonate, der „Appassionata“, als so manche seiner Kollegen.

Mondscheinsonate: Nicht zu romantisch

Hätte es eines Beweises bedurft, dass Beethovens eigentliche Größe in seiner dichten Lyrik liegt, dann hätte ihn an diesem Abend Buchbinder allein mit dem kantabel ausgeleuchteten Stirnsatz der zu Unrecht manchmal als leichtgewichtig charakterisierten G-Dur-Sonate Opus 14/2 demonstriert. Nicht ganz diese luzide Brillanz hatte deren abschließendes Scherzo. Bewusst kostete er die Kontraste der sich zu einem zyklischen Bogen formenden ersten der beiden Fantasiesonaten, der Es-Dur-Sonate Opus 27/1, aus. Natürlich weiß Buchbinder längst, wie man deren zweite, die populäre Mondscheinsonate Opus 27/2, spielt, dass sie weder in ein ungemäßes romantisches Licht gerückt wird noch den Zuhörer langweilt. Auch hier betonte er bei den Wiederholungen stets die Bassfiguren, verpasste damit dem jeweiligen Notentext wenn schon nicht ein anderes Kleid, so zumindest einen anderen Charakter.

Nicht auf diesem Niveau gelang ihm die frühe, dem Charakter nach als unbegleitetes Solistenkonzert anzusprechende Es-Dur-Sonate Opus 7. Ihre Darstellung ließ auch technisch einige Wünsche offen und es währte einige Zeit, ehe Buchbinder wieder zu der Konzentration fand, die den ersten Teil dieses Recitals so stark geprägt hatte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.11.2015)

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