Pariser Kulturleben: Die Tröstungen der großen Musik

SALZBURGER FESTSPIELE: ARCHIVBILD LISSNER
SALZBURGER FESTSPIELE: ARCHIVBILD LISSNER(c) APA (Roland Schlager)
  • Drucken

Dem Ausnahmezustand zum Trotz arbeitet man an der Bastille an einer neuen Berlioz-Inszenierung mit Jonas Kaufmann und wartet auf weitere Weltstars.

In Paris wird Oper gespielt. Trotz allem. Oder auch: jetzt erst recht. Eben hat eine neue Opernära begonnen, genauer gesagt, eine halbe neue Opernära. Prägende musikalische Kraft am Dirigentenpult der Opera Bastille ist und bleibt Philippe Jordan. Ihm zur Seite, nach krankheitsbedingt fliegendem Wechsel im Vorjahr seit Beginn der laufenden Saison offiziell im Amt: Wiens ehemaliger Festwochen-Musikchef Stéphane Lissner, der vor Jahren schon für das Programm des Théâtre du Châtelet verantwortlich war.

Nun hat sich Lissner in Wien nicht gerade durch besonders einfallsreiche Programmplanung ausgezeichnet. Opernfreunde waren daher gespannt, wie sein erster Spielplan nach der Beruhigungsphase mit Nicolas Joël aussehen würde, die Paris nach der experimentierfreudigen, musikalisch aber problematischen Ära Gerard Mortiers so dringend gebraucht hat. Seine Chance bei den Feuilletonisten nutzte der Intendant weidlich, ließ Schönbergs „Moses und Aron“ in eine Art Kunstaktion verwandeln, was erwartungsgemäß als Großtat gefeiert wurde. Mit Jordan am Pult war allerdings auch für musikalische Qualität garantiert.

Robert Alagna, Anna Netrebko

Freilich weiß Lissner genau, dass er nebst solch vor allem international beachteter PR-Strategie auch dem Pariser Publikum signalisieren muss, dass das wirkliche Opernleben weiter gedeihen wird. Als Gegengewicht zu Zwölftönigem taugte Laurent Pellys schwungvolle alte Inszenierung von Donizettis „Liebestrank“, zumal wenn man sie prominent besetzt. Tatsächlich kam ganz Paris und lauschte, wie Roberto Alagna mit dem Nemorino fertig werden würde, einer Partie, über die sein Tenor schon allzu weit ins Heldische hinausgewachsen zu sein scheint. Die Premiere erwies: Alagna hat sich die nötige Beweglichkeit erhalten können, übrigens auch als Akteur. Er turnt über die Strohballen wie ein verschmitzter schlimmer Bub, buhlt um seine, ihm auch im wirklichen Leben attachierte Adina, Alexandra Kurzak, die gleiche Lebendigkeit vokal in silberhelle Koloraturhöhen voranzutreiben weiß.

Das Publikum jubelte. Es darf sich noch auf manche Starbestzung freuen, denn Lissner setzt für seinen reduzierten Spielplan – in den meisten Monaten sind maximal zwei verschiedene Opernproduktionen zu sehen – auf große Namen – und auf Verdi: „Rigoletto“ mit Olga Peretyatko und Franco Vassallo steht gleich 18-mal auf dem Spielplan, „Traviata“ und „Aida“ gegen Ende der Saison jeweils 13-mal! Ab 28. Jänner singt Anna Netrebko die Leonore im „Troubadour“. Mit Spannung erwartet wird demnächst der Auftritt von Jonas Kaufmann in Berlioz' „Damnation de Faust“ unter Jordan an der Seite von Sophie Koch und Bryn Terfel (ab 8. 12.).

Im März übersiedeln Stefan Herheims Salzburger „Meistersinger“ unter Jordan mit Gerald Finley als Sachs an die Seine. Aus Salzburg hat Paris schon vor Jahren die Wernicke-Produktion des „Rosenkavalier“ eingekauft, die im Mai mit Anja Harteros, Daniela Sindram. Peter Rose und Erin Morley unter Jordan wiederkehrt. Mit solch Populärem erkauft man sich die Möglichkeit, während des Jahrs noch Bartóks „Blaubart“ und Poulencs „Voix humaine“ (ab 20. November) sowie eine von Calixto Bieito inszenierte Neudeutung von Aribert Reimanns „Lear“ (mit Bo Skovhus) ins Programm zu nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.