Strauss hat die Oper Wien für sich gepachtet

(C) Wiener-Staatsoper/ Michael Pöhn
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Ein runder „Rosenkavalier“ mit Anja Harteros und eine atemberaubende „Salome“ mit Lise Lindstrom.

Strauss-Schwerpunkt im Haus am Ring. Zunächst „Der Rosenkavalier“ mit Anja Harteros als Marschallin: Ein feinsinnig schattiertes Rollenporträt, gar nicht larmoyant, ein wenig herb-frisch, durchaus zynisch distanziert – doch vokal voll weicher Zwischentöne, subtil gemischter Farbnuancen; im Spiel mit Stephanie Houtzeel, die dem Octavian aufs Natürlichste die Züge eines noch unreifen, aber feurigen Buben verleiht, von filmreifem Feinschliff. Otto Schenks Produktion schnurrt nach ihrer szenischen Renovierung wieder präzis und komödiantisch ab – wie sie vom Orchester unter dem dynamischen Adam Fischer akustisch vorangetrieben wird. Von den jüngsten Einstudierungen scheint dankenswerterweise noch einiges an Pianissimokultur übrig geblieben.

Das sichert auch einer solchen Repertoire-Vorstellung (Nummer 365 dieser Inszenierung!) durchgehend Spannung und, wo es sein soll, auch die nötige melancholische Atmosphäre. Chen Reiss ergänzt das harmonische Terzett der Damenstimmen als quirlig-trotzige, im Grunde doch höchst sensible Sophie. Jochen Schmeckenbecher ist ein darstellerisch wie stimmlich prägnanter, niemals outrierender Faninal. Und als „Drüberstreuer“ singt Jinxu Xiahou die Arie des italienischen Sängers mit Strahlkraft und bombensicheren Höhen.

Wolfgang Bankls „Lerchenauer“

Mehrheitlich stimmig die kleineren Partien, angeführt von einem höchst wendigen Intrigantenpaar (Zoryana Kushpler/Benedikt Kobel). Als Einspringer für den erkrankten Peter Rose, aber in vollem Saft und Kraft seines Bühnentemperaments: Wolfgang Bankl als Ochs auf Lerchenau. Er dürfte damit seine Leib- und Magenrolle gefunden haben. Da sitzt jede Pointe, aber auch die Stimme bis hinauf in die Fährnisse des auf Hugo von Hofmannsthals ausdrücklichen Wunsch piano gesungenen hohen F in der „Mägdeerzählung“. Vor allem freut man sich über die adäquate, niemals indezente Mischung aus wienerischem Dialekt und Hochsprache, die kaum ein Ochs unserer Tage so souverän beherrscht. Chapeau.

Anderntags „Salome“ mit Lise Lindstrom, die für die Titelpartie wirklich alle Voraussetzungen mitbringt. Sie sieht aus wie ein Model, weiß ihre Reize verführerisch einzusetzen, geht zur Befriedigung ihrer Wünsche – buchstäblich – über Leichen. Selbst die heikle Schlussszene erzählt sie suggestiv in der von Oscar Wilde imaginierten Mischung aus Perversion und höchster Lust.

Dazu singt sie mit einem vom ersten Moment an kraftvoll und sicher fokussierten Sopran, der jede orchestrale Attacke mühelos durchdringt. Für einen Moment denkt man während der intensiven Auseinandersetzung mit Tomasz Koniecznys nicht minder durchschlagskräftigem Jochanaan, ob diese Sängerin imstande sein würde, diesen Kraftakt bis zum Ende durchzuhalten. Doch sogleich schlagen die Stimmen und das Orchester unter dem umsichtigen, souverän organisierenden Dennis Russell Davies mittels prachtvoll changierendem Farbenspiel das Publikum wieder in ihren Bann. Und – ja: Lise Lindstrom hält durch. Mehr noch: Sie singt den Schlussgesang mit leuchtendem, schlank-jugendlichem Ton.

Womit diese Aufführung durchaus zu den Höhepunkten der reichen Wiener Strauss-Interpretationsgeschichte gezählt werden darf. Zumal auch eine Debütantin gute Figur macht: Carole Wilson stellt sich als Herodias vor, machtvoll degradiert sie Herwig Pecoraros König Herodes zum stichwortbringenden „Sohn eines Kameltreibers“.

„Salome“: Do, 10.12., auch via www.staatsoperlive.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)

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