Philharmoniker: Neue Details zur NS-Historie

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Eine Publikation beleuchtet die lange „ambivalente Loyalität“ der Wiener Philharmoniker zum NS-Regime.

Der Verein der Wiener Philharmoniker hat bei der Aufarbeitung seines historischen Archivs unbekanntes Quellenmaterial gefunden. Die Philharmoniker hätten ihre propagandistische Instrumentalisierung nicht nur in Kauf genommen, sondern aktiv mitgestaltet und mit NS-Machthabern kooperiert, schreiben die wissenschaftlichen Mitarbeiter Silvia Kargl und Friedemann Pestel in einer 55-seitigen Publikation über Beziehungsnetzwerke, Interessenverflechtungen, kulturelle und politische Positionen und Projekte im Zeitraum 1938 bis 1970. Dies zeige beispielsweise das Orchesterjubiläum 1942, als der Verein dem ehemaligen Wiener NS-Gauleiter Baldur von Schirach den Ehrenring überreichte. Das Orchester gab dem verurteilten Kriegsverbrecher den Ehrenring zurück, nachdem er seine Haftstrafe abgesessen hatte. Welcher Philharmoniker Ende der 1960er-Jahre den Ring nach München brachte, ist aufgrund der neuen Materialien vorerst wieder infrage gestellt, ebenso das exakte Datum der umstrittenen Überreichung.

Eine Stunde null fand 1945 im philharmonischen Betrieb faktisch nicht statt, das macht die Recherche deutlich: „Der Übergang des Orchesters vom Nationalsozialismus in die Nachkriegszeit war von personellen und daher auch politisch-weltanschaulichen Kontinuitäten geprägt.“ Für die wissenschaftliche Aufarbeitung möchten die Wiener Philharmoniker das Preisgeld des Birgit-Nilsson-Preises (eine Million Dollar) verwenden. Außerdem sollen die Archivbestände besser zugänglich werden. (juf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2015)

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