Wiens wichtiges Opernhaus Nr. drei

FOTOPROBE: ´MATHIS DER MALER´
FOTOPROBE: ´MATHIS DER MALER´(c) APA/HERBERT NEUBAUER (HERBERT NEUBAUER)
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Jubiläum. Vor zehn Jahren öffnete die Stadt Wien das Theater an der Wien, Stätte der Uraufführungen von „Fidelio“ und „Fledermaus“, wieder dem ernsthaften Musiktheater.

In Wahrheit war es die Erfüllung einer Bringschuld: Vor zehn Jahren beschlossen die Kulturgewaltigen im Wiener Rathaus, das unter städtischer Verwaltung stehende Theater an der Wien endlich wieder seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen. Die bedeutende historische Spielstätte – in dem Haus hatten Werke wie Beethovens „Fidelio“, Johann Strauß' „Fledermaus“ oder Franz Lehárs „Lustige Witwe“ das Licht der Bühnenwelt erblickt – war zuvor über Jahrzehnte hin durch Produktionen von Kommerzmusicals blockiert, die überall in der Welt gutes Geld bringen, in Wien aber durch das städtische Kulturbudget mitfinanziert werden.

Dass für diese Eulenspiegeliade auch noch eine der wenigen erhaltenen historischen Spielstätten der Wiener Klassik als Kulisse fungieren musste, hat sensiblere Geister seit jeher geärgert. Nur die Tatsache, dass traditionsgemäß im Mai und Juni die Wiener Festwochen im Theater an der Wien einquartiert werden und bei dieser Gelegenheit hie und da auch die Staatsoper Koproduktionen anbieten konnte, erinnerte die Musikfreunde über die Jahre hin immer wieder daran, dass hier mit kulturellem Erbe Schindluder getrieben wurde.

Eigentlich war es die von Riccardo Muti dirigierte, sensationelle Produktion von Mozarts „Così fan tutte“, die – weil sie auf Publikumswunsch immer wieder aufgenommen werden musste – den Stein ins Rollen brachte. Warum sollte man in diesem idealen Opernhaus, das einst der Librettist der „Zauberflöte“, Emanuel Schikaneder, im Gefolge des immensen Erfolgs dieser seiner Zusammenarbeit mit Mozart errichten lassen konnte, nicht endlich wieder auch übers Jahr ernsthaftes Musiktheater präsentieren, das dem Ruf der „ersten Musikstadt der Welt“ gerecht würde?

Reiche Ernte nach schwerer Geburt

Die Geburt war schwer, umso eminenter der Erfolg des Unternehmens. Unter der Führung von Roland Geyer etablierte sich Wiens einziger Stagione-Opernbetrieb, der das reiche Opern- und Operetten-Repertoire von Staats- und Volksoper um originelle Produktionen bereichern konnte, die im Zuge des täglich wechselnden Spielplans, der in den beiden altgedienten Häusern gepflegt wird, keine Chance auf Realisierung hätten.

Das Konzept ging auf. Während in der nur einen Steinwurf weit entfernten Staatsoper das große Opernrepertoire auf Spitzenniveau gepflegt wird, bereichert man an der Wien das Angebot an Stücktiteln, widmet sich der jüngeren Operngeschichte und dem Barock, darf oft auch inszenatorisch Risken eingehen, die sich ein Repertoire-Theater, das seine Neuinszenierungen lange Jahre im Spielplan halten muss, vernünftigerweise nicht eingehen kann.

Man macht sich also keine Konkurrenz, sondern arbeitet Seite an Seite an der Imagepflege einer Opernmetropole, der mittlerweile kaum eine zweite Konkurrenz machen kann. Die Bilanz des Theaters an der Wien nach zehn Jahren beschwört Erinnerungen an große Abende wie die von Kirill Petrenko dirigierte „Katja Kabanova“ oder die Ehrenrettung für Paul Hindemiths Meisterwerk „Mathis der Maler“ durch Regisseur Keith Warner und Dirigent Bertrand de Billy, an poetische Händel- oder packende Britten-Dramen, an den Beweis, dass Debussys „Pelléas et Mélisande“ und Francis Poulencs „Gespräche der Karmeliterinnen“ aufregender Psychothriller sein können und dass Meister wie Hans W. Henze vor gar nicht allzu langer Zeit noch lebensfähige Opern komponiert haben: „Der Prinz von Homburg“ (in Ingeborg Bachmanns Neudichtung des Kleist-Dramas) war eine von vielen Produktionen, die bedauern ließen, dass der Stagione-Plan an der Wien jeweils nur wenige Aufführungen eines Werkes zulässt . . .

Viel Glück mit Harnoncourt

Dann war da die glückhafte Zusammenarbeit mit Nikolaus Harnoncourt, der sich unter anderem auch für den stets unterschätzten Musikdramatiker Joseph Haydn stark machte – und dessen lebenslange Beschäftigung mit dem „Fidelio“ zum zehnten Jahrestag der gelungenen Rückwidmung des Hauses einen weiteren Höhepunkt erleben sollte. Doch der Maestro hat sich zurückgezogen. Mit solchen Tiefschlägen hat jeder Opernintendant zu leben. Wie auch mit dem Faktum, dass Misserfolge in einem Stagione-Betrieb unangenehmer zu Buche schlagen als in einem Haus, in dem die Stücke täglich wechseln. Ein Flop ist ein Flop, Montag, Donnerstag und Samstag. Dazwischen ist geschlossen . . .

Das macht die Sache umso spannender. Wiens Opernleben war nie so reich!

DAS THEATER AN DER WIEN FEIERT

Beethovens „Fidelio“. Die beiden Erstversuche mit seiner einzigen Oper hat Ludwig van Beethoven im Theater an der Wien gemacht. Zum Jubiläum hat Nikolaus Harnoncourt eine konzertante Aufführung in der Version von 1806 vorbereitet. Nach seinem Rückzug wird diese am 17. Jänner von Stefan Gottfried dirigiert. Juliane Banse und Michael Schade singen die Hauptrollen.

Mozarts „Idomeneo“ kommt als zweites Festkonzert am 22. Jänner unter René Jacobs – mit Jeremy Ovenden in der Titelpartie – zur Aufführung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)

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