Anja Harteros als Arabella: Hofmannsthals Traumfrau

(C) Staatsoper/ Pöhn
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An die historisch-geschmacklichen Verzerrungen von Sven-Eric Bechtolfs Strauss-Inszenierung kann man sich auch anlässlich der 39. Aufführung der Produktion nicht gewöhnen. Doch gelingt es einer Wiener Rollendebütantin, die Ehre des Autorenduos zu retten.

Der mittlerweile weltweit einzigartig reichhaltige Repertoirebetrieb der Wiener Staatsoper, die eben Wagners „Ring des Nibelungen“ gestemmt hat und Verdis „Rigoletto“ in All-Star-Cast zum atemberaubenden Erlebnis macht, bietet sozusagen im Vorübergehen zwischendurch auch noch das Debüt von Anja Harteros als Arabella.

Harteros, Besitzerin einer der schönsten Sopranstimmen unserer Zeit, ist auch eine der klügsten Musiktheater-Gestalterinnen. Ein völlig unpassendes Ambiente, wie das an den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts orientierte Bühnenbild, das Rolf Glittenberg für „Arabella“ entworfen hat, scheint diese begnadete Singschauspielerin so wenig zu irritieren wie die geradezu kriminell unvorteilhaften Kostüme, in die vor allem die Titelheldin gesteckt wird.

Den widrigen optischen Umständen zum Trotz erweckt die Harteros Hugo von Hofmannsthals kapriziös-sensible Komtesse zu lebendigster Gestalt. Sensibilität mischt sich in dieser jungen Frau aus einem verarmten Adelsgeschlecht mit einem Hauch von Ironie, Zynismus sogar, wenn sie die sie umschwirrende Männerwelt taxiert. Die Edelstimme schwebt bei alledem über Richard Strauss' nervös pulsierendem orchestralem Seelenstimmengewirr (dessen Fluss Cornelius Meister wie ein wohl informierter Korrepetitor zu kanalisieren weiß) und entfaltet ihre ganze Schönheit. Weiche, wohl gerundete, doch in der Höhe goldstrahlende Töne, zu weiten Phrasen gebunden.

Das ist Richard-Strauss-Gesang in idealer Ausprägung, denn die geforderte instrumental-schlanke Stimmführung paart sich mit klarer Artikulation und damit bewunderungswürdiger Textdeutlichkeit.

Schade als verzweifelter Matteo

Der immensen theatralischen Herausforderung stellen sich Michael Schades verzweifelter Matteo, der seine Kraft immer wieder zügeln muss, um nicht vor Wut zu explodieren, und der Mandryka von Tomasz Konieczny. Er ist für den heutigen Opernbetrieb die perfekte Verkörperung dieses (laut Selbstanzeige) „halben Bauern“. Welch weicher Kern in der rauen Schale schlummert, lässt Konieczny auch immer wieder hören: Seine schwärmerische Liebe, die beim Anblick von Arabellas Porträt entbrannte, aber auch die Verzweiflung über seine Unbeherrschtheit (im dritten Akt) schwingen in baritonalen Nuancen mit.

Rund um das Wiener Ensemble, gut eingespielt: Wolfgang Bankl und Carole Wilson geben komödiantisch das Grafenpaar, Ileana Tonca, zauberhaft im Bubengewand wie im Negligé, die kleine Schwester Zdenka. Sie kann im Duett mit der großen Schwester mithalten und findet im Finale zu berührender Innigkeit. Exquisit das Grafentrio mit Norbert Ernst (herrlich karikierend, aber stimmlich souverän), Manuel Walser als ausnehmend schönstimmiger Dominik und Sorin Coliban als wunderbar täppischer Lamoral. Brillant die neue Fiakermilli: Hila Fahima absolviert die abstrusesten „Jodel“-Koloraturen ohne mit der Wimper zu zucken.

Ein Schelm, wer innerhalb des täglichen Spielbetriebs eine sorgfältiger durchgearbeitete, also vom Orchester vielleicht dezenter modellierte Aufführung erträumt – wie die Erfahrung lehrt, sind solch perfekte Straussiana mittlerweile sogar bei Festspielen schon rar geworden. Der Freude des Publikums tut es, wie sich zeigt, keinen Abbruch, hie und da die Augen zudrücken zu müssen, weil nicht alles filigran herauskommt, wie es Hofmannsthals Geist entspräche.

Termine: 29. Jänner, 1. Februar, jeweils 19 Uhr; am 1. 2. auch Livestreaming unter www.staatsoperlive.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2016)

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