Kärnten versucht, Ingrischs/Einems „Jesu Hochzeit“ zu retten

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Symbolbild.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Carinthischer Sommer: Was als Kirchenoper für Ossiach geplant war und im Theater an der Wien zum Riesenskandal wurde, soll nun an jenem Ort erklingen, für den es einst geschrieben wurde: Im Stiftshof lässt der neue Intendant des Festivals die Mysterienoper neu zur Diskussion stellen.

Der Carinthische Sommer 2016 versucht sich an der Ehrenrettung von Gottfried von Einems Oper „Jesu Hochzeit“ – und erinnert damit an einen der größten Theaterskandale der Zweiten Republik: Die Uraufführung der Mysterienoper nach einem Text von Lotte Ingrisch bei den Wiener Festwochen 1980 im Theater an der Wien wurde durch Protestaktionen und Stinkbomben gestört. Katholische Aktivisten wollten sich mit der symbolischen Vereinigung Jesu mit der Tödin nicht abfinden. Während sich im Theater tumultartige Szenen abspielten, wanderte eine Lichterprozession über den benachbarten Naschmarkt.

Lotte Ingrisch hat stets betont, mit ihrem Text keinerlei blasphemische Absichten gehabt zu haben, sondern an alte künstlerische Darstellungstraditionen christlicher Mystik anzuknüpfen. Doch war nach gezielten Publikationen einzelner Textfragmente in den Medien vor der Uraufführung kaum noch ein Beobachter Argumenten zugänglich. Die Premiere (mit Stars wie Anja Silja und Eberhard Waechter) konnten Interessenten damals zwar im Fernsehen mitverfolgen, doch ist „Jesu Hochzeit“ international kaum nachgespielt worden.

Nun soll das Werk an jenem Ort wiedererweckt werden, für den das Libretto ursprünglich gedacht war. Ein Veto des Bischofs verhinderte seinerzeit von vornherein eine Aufführung im Rahmen der traditionellen Kirchenopern des Carinthischen Sommers, weshalb Gottfried von Einem seine Vertonung für ein größeres Orchester setzte, als in der Stiftskirche von Ossiach Platz finden würde. Eine Aufführung in der Stiftskirche kommt für die Geistlichkeit übrigens nach wie vor nicht infrage. Aber gegen eine Premiere im Stiftshof hat man nichts einzuwenden. Deshalb kann der neue Intendant des Kärntner Festivals, Holger Bleck, in Koproduktion mit dem Klagenfurter Stadttheater den Neubeginn mit „Jesu Hochzeit“ – mit nur leicht reduzierter Orchesterbesetzung – wagen. Regisseuse Nikola Raab möchte sich in ihrer Inszenierung möglichst getreulich an Lotte Ingrischs Worte halten und „einfach das wahrnehmen, was geschrieben wurde“. Premiere ist am 6. August.

„Carinthische Wassermusik“

Außerdem hat der Neo-Intendant noch bei Renald Deppe eine „Carinthische Wassermusik“ in Auftrag gegeben, die im Verein mit einem vom Sohn des Komponisten hergestellten Arrangement aus Nikolaus Fheodoroffs „Hornruf für Hornquartett“, der neuen Festspielfanfare, am Eröffnungsabend (14. Juli) uraufgeführt wird.

Das weitere Programm des Festivals soll, so Bleck, „eine Mischung aus Klassischem, Zeitgenössischem und Jazz bis hin zu inszenierten Konzerten“ werden, „ein Programm aus der Region für die Region“. Letzteres soll schon die „Wassermusik“ zum Einstand am 14. Juli am Ossiacher See unter freiem Himmel deutlich machen. An dem Spektakel sollen rund 1000 Musiker – Blasmusikkapellen und Chöre – mitwirken. Komponist Renald Deppe hat die Novität ausdrücklich auch für Laienmusiker geschrieben und seine diesbezüglichen Erfahrungen eingebracht. Am Eröffnungsabend soll die gesamte Region um Ossiach mitspielen, Musik kommt auch direkt vom See und vom Ufer gegenüber.

Bei den folgenden Konzerten des Carinthischen Sommers 2016 kommen drei weitere Auftragsstücke sowie insgesamt 19 Werke lebender Komponisten zur Aufführung. Das Festival, das auch neue Spielstätten wie die Schlösser Ebental und Pöckstein, das Klösterle in Innerteuchen und das Kärntner Landesarchiv erschließen wird, endet mit einem Gastspiel des London Symphony Orchestra am 25. August in Villach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2016)

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