Staatsoper: Herrliche Klänge im Böhmerwald

(C) Wiener Staatsoper / Pöhn
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Statt Krassimira Stoyanova sang Camilla Nylund die Nixe in der ersten „Rusalka“-Aufführung. Einem exzellenten Ensemble gelang eine musikalische Sternstunde.

Man ist versucht, den Satz „Das Orchester musiziert herzhaft und mit blühend schönem Klang“ beinah bei jeder Dvořák-Aufführung durch die Wiener philharmonischen Musiker hinzuschreiben. Ob es daran liegt, dass die sogenannte Wiener Geigenschule in Wahrheit eine böhmische ist, dass manches am wunderbar weichen Klarinetten- oder Oboenklang in der Blasmusiktradition auf den mährischen Schlössern (und Dorfplätzen) gründet?

Wie auch immer: Die laufende Aufführungsserie der „Rusalka“ lässt Opernfreunde wieder ins Schwärmen über die herrlichen Klänge geraten, die da aufs scheinbar Natürlichste aus dem Orchestergraben dringen. In Tomáš Netopil haben wir endlich wieder einen Dirigenten aus böhmischen Landen, der sich mit Hingabe der Pflege der Musik seiner Heimat widmet, die Musiker kundig, aber nicht aufdringlich durch eine der farbenprächtigsten Partituren der Spätromantik führt – und sie ebenso ungezwungen „spielen lässt“, wie er den Sängern, weil er ihnen auf Punkt und Komma des Textes zu folgen imstande ist, Freiheit zur ungekünstelten Phrasierung gibt.

Bezaubernde Einspringerin

Das sind Voraussetzungen, die eine hinreißende Aufführung gedeihen lassen, wenn sich auf solchem Grund edelste Stimmen entfalten können. Die Besetzung der „Rusalka“-Serie könnte geschlossener, harmonischer nicht sein; und das darf man behaupten, obwohl die Titelheldin am ersten Abend im letzten Moment ausgetauscht werden musste: Krassimira Stoyanova war erkrankt. Doch wusste die Wiener Staatsoper eine der schönsten Sopranstimmen unserer Zeit durch eine ebenbürtige Kollegin zu ersetzen. Camilla Nylund sang die Rusalka nach ihrem aufsehenerregenden Salzburger Festspielauftritt nun auch in Wien. Ihre Sieglinde-Stimme ist vollständig erblüht, strahlkräftig in den Höhen und dunkel leuchtend in den tieferen Registern, in denen die Nixe leidenschaftlich von Liebe und Leid zu singen und klagen hat.

In den bewegendsten Momenten dieser mehr als dreistündigen, doch kurzweiligen, weil musikalisch beredten, erzählmächtigen Aufführung verschmolz Rusalkas Gesang aufs Innigste mit den üppigen verzweigten philharmonischen Instrumentalstimmen. In diesen symphonischen Tableaus vermochten ebenso der hell timbrierte, doch durchaus herrische Prinz des Klaus Florian Vogt wie auch (trotz angekündigter Indisposition) der imposante Wassermann Jongim Parks ihre Rollen stimmig zu gestalten.

Führend blieben an diesem Abend freilich die Damen, nachdem vom ersten Moment an das von Valentina Naforniţa angeführte Elfenterzett schwungvoll-animiert und wohllautend den Ton angab.

Die Hexe der Monika Bohinec ist eine selbstbewusste, im dritten Akt dann wirklich ehrfuchtgebietende Spielmacherin, vor der nicht nur die komödiantischen Komparsen wie Heger (Gabriel Bermúdez) und Küchenjunge (Margaret Plummer) angstvoll erzittern. Zu allem Überfluss gibt es unter den vielen Debütanten dieses Abends auch eine neue „fremde Fürstin“ zu entdecken: Elena Zhidkova spiegelt dem Prinzen vokal wie darstellerisch elegant und hochmütig das perfekte Gegenbild zum stummen Naturgeschöpf Rusalka vor. Ihr Mezzo tönt stark und groß, eine böhmische Amneris sozusagen. Das hat wie alles an dieser Aufführung allerhöchstes Format und sollte sich bis zum Livestream (18. Februar) noch in allen Details festigen. Dann ist die Sache filmreif.

Tiefer Glaube an die Psychoanalyse

Wiewohl: Dass Camilla Nylund nicht mit jeder Kleinigkeit im wüsten Bühnenbild Rolf Glittenbergs zurechtgekommen ist, verwundert nicht. Dass sie trotz der Widerspenstigkeit der Stoffbahn, in die sie den sterbenden Prinzen einzuhüllen hat, ihre Finalszene ohne Irritation gesungen hat, gehört vermerkt; ebenso wie die Tatsache, dass Sven-Eric Bechtolfs Regie anlässlich der neunten Aufführung nicht stilvoller geworden ist. Sie wirkt nach wie vor wie ein Menetekel für eine der Krankheiten unserer Zeit: den Glauben an die reinigende Kraft der Psychoanalyse.

Trotz vieler fein herausgearbeiteter Details verärgern im Verlauf der Vorstellung daher immer wieder Mutwilligkeiten wie die Degradierung der Wassernixen zu blutleckenden Vampiren und die Verballhornung der Fest-Polonaise zu einem Slapstick-Ballett, das eine Hochzeitsnacht zur Vergewaltigung werden lässt. Doch tröstet sogar darüber das Orchester hinweg, das die dazugehörige Musik mit Leichtigkeit und federnder Eleganz zu ihrem Recht kommen lässt. Schon deswegen: Nicht versäumen!

„Rusalka“: Staatsoper: 9., 13., 18. und 21. Februar, Livestream am 18. Februar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2016)

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