Der Geiger als Dirigent: Ein Versprechen

KAVAKOS
KAVAKOS(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Leonidas Kavakos leitete die Wiener Symphoniker durch Stücke von Mozart und Brahms.

Irgendwann packt sie das Dirigentenfieber: Orchestermusiker, die die Tyrannei der Pultstars nicht mehr ertragen können, Solisten, die endlich einmal das Ruder übernehmen, ihren musikalischen Hunger an Werken jenseits ihres vorgegebenen Repertoires stillen oder schlicht im Tuttiklang baden wollen wie Onkel Dagobert im Geld. Nicht allen gelingt das so nachhaltig eindrucksvoll wie weiland Nikolaus Harnoncourt, der ja grundsätzlich mit bloßen Händen agierte, wie René Jacobs, von dessen erster Karriere als Countertenor jüngere Musikfreunde vielfach gar nicht mehr wissen, oder wie Daniel Barenboim. Ein reguläres Studium muss nicht zu besseren Ergebnissen führen als das spontane Drauflos einer großen Persönlichkeit; aber ein Learning by doing gleich auf den prominentesten Podien kann doch recht mühselig erscheinen.

Das jüngste Musikvereinskonzert von Leonidas Kavakos und den Symphonikern mochte an beides erinnern und war doch ein ganz eigener Fall. Äußerlichkeiten sind dem als Dirigenten längst erfahrenen Geiger egal, ihm geht es um die Musik. Das Orchester folgt ihm dabei mit jener wertschätzenden Loyalität, die er sich schon als Solist verdient hat. In Mozarts G-Dur-Violinkonzert KV 216 schwelgten die Symphoniker jedenfalls in sattem Wohlklang – über dem Kavakos etwa seine seidenweichen Adagio-Kantilenen schlackenlos schweben ließ. Die Ecksätze würzte er dagegen mit manch kratziger Herbheit, entfachte im Gassenhauer-Mittelteil des Rondeaus aber auch rustikale Komik.

Brahms: Freude am starken Klang

Zunächst opulent, aber gut durchhörbar erschien auch sein Zugang zu Brahms: Mit klarer Zeichengebung führte er durch Haydn-Variationen sowie die vierte Symphonie und delektierte sich mit den Orchesterkollegen an deren lustvollen Farb- und auch Muskelspielen. Die Freude am starken, reinen Klang (nicht immer ganz rein intoniert) überwog manchmal dessen bewusste Strukturierung. Zumindest in der finalen Passacaglia aber hoben sich die Stimmen manchmal so widerspenstig voneinander ab und griffen zugleich so plastisch ineinander, wie es auch bei Vollzeitdirigenten nicht selbstverständlich ist: ein Versprechen für die Zukunft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2016)

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