Privatvergnügen vor Publikum im Musikverein

(c) FABRY Clemens
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Argerich und Barenboim: Energische Dialoge und freundschaftliche Lustbarkeiten an zwei Klavieren.

„Als sie fertig waren, war keine Rede von Umarmungen oder Komplimenten. Wir waren erstarrt und zermalmt von dem Orkan, der aus den Abgründen der Jahrhunderte heranzog und uns aus der Bahn unseres Lebens warf.“ So berichtete der Kritiker Louis Laloy von einem Treffen der Giganten 1912 in Paris: Claude Debussy hatte zusammen mit Igor Strawinsky in privatem Rahmen den vierhändigen Klavierauszug von dessen „Sacre du printemps“ gespielt – und die schockierten Anwesenden bekamen einen Vorgeschmack auf die von Tumulten begleitete Uraufführung des Balletts, die im folgenden Jahr die Musikwelt erschütterte.

Jubelstürme dagegen nun im Musikverein: Martha Argerich und Daniel Barenboim, sie mit dem Secondopart in der Rolle Debussys, er gleichsam als Strawinsky, stürzten sich an zwei Klavieren unerschrocken in dieses Abenteuer eines faszinierend vielschichtigen „Bruitismus“.

Alles und jedes, was Martha Argerich zum Musizieren motiviert, kann uns nur recht sein. Die große Pianistin hat sich von Solorecitals ja schon vor Jahren gelangweilt verabschiedet, tritt ab und zu mit ausgesuchten Dirigenten auf, noch lieber aber bei ihren diversen Festivals mit jungen Kolleginnen und Kollegen auf dem Feld der Kammermusik. Oder mit alten Freunden. Daniel Barenboim ist ein solcher – in Buenos Aires von Kindesbeinen an. Dabei sind es weniger regelrechte Konzertauftritte, die die beiden nun absolvieren: Eher hat man den Eindruck, bei einem Privatissimum dabei sein zu dürfen, einer zumindest nicht in erster Linie für die Öffentlichkeit bestimmten Lustbarkeit. So verblasst dann auch die Frage, ob ein Klavier-„Sacre“, so fesselnd die pianistische Erfahrung sein mag, der Partitur gerecht werden kann – die vereinten Schattierungskünste der beiden so unterschiedlichen Tastentiger in Ehren.

Zu befriedigenderen Lösungen fanden die beiden mit tatsächlich für Klavier(e) gedachtem Repertoire. Mozarts in jeder Hinsicht weiträumige D-Dur-Sonate KV 448 erklang trotz einiger Unschärfen süffig, klangsatt und doch auch exquisit in den Details; in Debussys „En blanc et noir“ huschten und polterten klar konturierte Klangcharaktere durch die wechselnd beleuchteten Szenerien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.04.2016)

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