Für zwei Zeilen Belsatzar sein – aber wie!

Christoph Prégardien und seine Nichte Julia Kleiter im Konzerthaus.

Nur zwei Zeilen lang ist Christoph Prégardien Belsatzar, für den Rest der Schauergeschichte hat ihm Heinrich Heine die Erzählerrolle zugewiesen. Doch diese zwei Zeilen haben es in sich. Wenn Prégardien sein „Jehova, dir künd ich auf ewig Hohn“ in den Mozart-Saal schmettert, erreicht er durch die Ausdrucksintensität, die er Schumanns gewaltigen Noten verleiht, einen Grad an Gotteslästerung, der manche viel diskutierte Karikatur recht harmlos wirken lässt. Einen irren Blick schickt er hinterher, taumelt fast und nimmt durch seine Körpersprache schon das Kippen der Situation vorweg. Ein starker Moment, ein Lehrstück in Wahrhaftigkeit.

Die fünf Schumann-Lieder, die Prégardien en bloc bringt, sind der intensivste Teil des Abends, schon deshalb, weil dieser außergewöhnliche Liedsänger sich hier einmal über mehrere Stücke hinweg entfalten kann. Die schöne Idee, mit seiner Nichte, der Sopranistin Julia Kleiter, einen Abend zu gestalten, unterstützt vom manchmal etwas hart agierenden Julius Drake am Flügel, ging nicht ganz auf. Zu zerrissen wirkte durch das permanente Abwechseln der erste, Schuberts Goethe-Vertonungen gewidmete Teil. Auch wenn es reizvoll war, den unterschiedlichen Zugang zur Liedgestaltung zu erleben – Kleiter konzentrierte sich mit ihrem hellen, sicheren Sopran stärker auf die melodischen Bögen, Prégardien ging farblich mehr in die Breite –, Geschlossenheit konnte sich so nicht einstellen, daran änderten auch die Duette von Schumann und Mendelssohn wenig, bei denen sich die zwei Stimmen herrlich mischten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2016)

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