René Pape als Boris Godunow: Humane Töne eines Tyrannen

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Höhenflüge im Staatsopern-Repertoire - mit Traumbesetzung.

Nach mitreißender Italianità mit den Duos Stoyanova/Beczała und Naforniţa/Flórez setzt das Haus am Ring auch im slawischen Repertoire kraftvolle Zeichen: Auf die packende „Jenufa“ (erstmals in der Originalsprache) folgte nun „Boris Godunow“, erstmals mit René Pape in der Titelpartie und einer illustren Besetzung der kleineren und kleinsten Rollen, die – ganz nach Papes Vorbild – vor allem bewies, dass expressives Singen immer auch mit Tonschönheit einhergehen kann.

Pape bringt sogar den Wahnmonolog, aber auch die Sterbeszene mit belcantesker Phrasierungskunst in Einklang. Sein Zar Boris macht vom ersten Moment an deutlich, dass er sein Amt unter größten seelischen Vorbehalten antritt: Angstvorstellungen, Gewissensbisse verfolgen diesen Mann gnadenlos. Von den gewaltigen Basstönen, mit denen große Vorbilder zumindest in der Krönungsszene noch punkten, ist bei Pape nichts zu hören: Er bringt den Menschen hinter der Fassade des Diktators zum Vorschein und bereichert die Interpretationsgeschichte damit um eine bewegende neue Facette.

Die Klagelieder von Töchterchen Xenia tönen bei Aida Garifullina verzehrend schön, Ilseyar Khayrullova passt als Zarewitsch bestens in diese Vokal-Edelfamilie.

Dazu Charakterdarsteller von exquisitem Format: Norbert Ernsts kühl kalkulierender Schujskij, Kurt Rydls altersweiser Pimen, Marian Talabas eifernder „falscher Demetrius“, Clemens Unterreiners machtbewusster Schtschelkalow, das köstliche Mönchsduo Benedikt Kobel/Ryan Speedo Green, der weltentrückte Blödsinnige von Pavel Kolgatin – sie alle erzählen die Geschichte im Verein mit dem grandios auftrumpfenden Chor (inklusive prägnanten Kinderchors) und dem Orchester unter Marko Letonja intensiv in knapp zweieinhalb pausenlosen, aber durchwegs fesselnden Stunden.

Dank Yannis Kokkos' stimmigen Bühnenbildern erlebt man so Mussorgskys Meisterwerk in der herben Urfassung ohne störende Regieverzerrungen wie einen Politkrimi. Das sollte man nicht versäumen: 9., 13. und 16. Mai. Wer keine Karten mehr bekommt: Am 13. Mai wird gestreamt (www.staatsoperlive.com). Erste Wahl für die TV-Primetime! (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2016)

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