Staatsoper: Wagner mit Wadenwärmern

 Die Tracht stiftet Zusammenhalt, durch ihr Anlegen wird man eingemeindet: Camilla Nylund als Elsa.
Die Tracht stiftet Zusammenhalt, durch ihr Anlegen wird man eingemeindet: Camilla Nylund als Elsa.(c) Staatsoper/Michael Pöhn
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Der „Lohengrin“ hat neue Bösewichter – und Klaus Florian Vogt sprang glanzvoll in der Titelpartie ein. Am Samstag übernimmt Herbert Lippert.

Zwei Herzen im Viervierteltakt“ – so könnte es, Robert Stolz widersprechend, über Andreas Homokis „Lohengrin“-Inszenierung stehen, die nun erstmals wieder seit der Premierenserie vor zwei Jahren und in teilweise neuer Besetzung an der Wiener Staatsoper zu erleben ist. Von trauter Walzerseligkeit kann hier ja wirklich keine Rede sein, nicht einmal von Ländlerlust – unter anderem deshalb, weil in Wagners melodienreicher, aber vom Metrum her beinah durchwegs schreitender oder marschierender Partitur kaum etwas anderes als gerade Taktarten zu hören ist.

Ausgegrenzten bleibt nur die Unterhose

In dieser Koproduktion mit seinem eigenen Haus schickt der Zürcher Opernintendant den Schwanenritter in ein Alpendorf, in dem es durchaus rau zugeht: Zwischen Dirndlkleidern, Gretelfrisuren, Lederhosen und Wadenwärmern hat Lohengrin der unschuldig in Verruf gekommenen Elsa beizustehen.

Die Tracht stiftet den Zusammenhalt, durch ihr Anlegen wird man eingemeindet, Ausgegrenzten bleibt nur die Unterwäsche. Eine zünftige Bauernmalerei mit den beiden schon erwähnten Herzen und dem Textzitatsinnspruch „Es gibt ein Glück“ beherrscht nicht nur riesenhaft den Zwischenvorhang, sondern hängt auch noch gerahmt in dem kargen Wirtshaussaal, den Ausstatter Wolfgang Gussmann als Einheitsbühnenbild entworfen hat.

Beim einzigen Abschnitt im Dreivierteltakt, dem großen Gebet im ersten Aufzug, zahlte Kwangchul Youn als König Heinrich prompt die Zeche dafür, dass er zuvor in der Höhe allzu sehr auf markige Durchschlagskraft gepocht hatte: Nun wollte die sonore Tiefe nicht recht ansprechen. Aber als leutselig händeschüttelnder Provinzpolitiker war er ebenso glaubwürdig wie der neue Heerrufer Adam Plachetka, mag dies auch stimmlich keine zwingende Partie für ihn sein.

Vogt überstrahlte alles

Hausdebütant Thomas Johannes Mayer verlieh trotz einer angesagten Erkältung dem Telramund mit seinem belastbaren Charakterbariton scharfes deklamatorisches Profil, dem er unter besseren Umständen wohl auch noch mehr Nuancen verleihen wird. Neben ihm zog Michaela Schuster als neue Ortrud alle darstellerischen Register durchtriebener Niedertracht: Ein Kinderspiel für sie, die wie gewohnt etwas verquollen tönende Elsa der Camilla Nylund zu manipulieren. Sängerisch stieß Schuster jedoch an Grenzen, denn für eine fulminante Anrufung der entweihten Götter fehlten ihr zumindest diesmal die nötigen Reserven. So war es ganz natürlich, dass Klaus Florian Vogt, als Lohengrin rettend eingesprungen für Burkhart Fritz, alles überstrahlte – mit knabenhaft lyrischem, zugleich aber dramatisch gefestigtem Tenorklang und einer exzellenten Wortdeutlichkeit; eine leichte Kurzatmigkeit im dritten Aufzug war wohl den Umständen geschuldet. Am Samstag tritt dann Herbert Lippert an.

Am Pult sorgte der Brite Graeme Jenkins mit ruhiger Hand für Ordnung und hielt den imponierend schallkräftigen Chor wie das an den Höhepunkten klangprächtig aufblühende Orchester auf direktem, wenn auch manchmal etwas gemächlichem Kurs: Herzliche Begeisterung.

Termine: 14., 18. und 21. Mai.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2016)

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