Kraftmeierei statt nobler Größe

PHILHARMONIKERBALL 2010:ESCHENBACH
PHILHARMONIKERBALL 2010:ESCHENBACHAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Wiener Philharmoniker unter Christoph Eschenbach: Alles klang aufschneiderisch wuchtig, laut – und dadurch ermüdend.

Das Orchester formt einen klanggewaltigen Doppelpunkt, um in der Solokadenz der Geigerin das Feld zu überlassen – doch da setzt die Pauke mit einem dramatischen Wirbel ein, grundiert die stolzen Virtuosengesten der Violine mit aufwallendem, dumpfem Grollen, schließlich stehlen sich die Streicher von der Tiefe her dazu, bereiten unter aufsteigenden Trillern der Solistin den wunderbar zarten Beginn der daraufhin einsetzenden Coda vor: Es war Ferruccio Busonis 1913 komponierte Kadenz zum Violinkonzert von Johannes Brahms, mit der Lisa Batiashvili und die Wiener Philharmoniker unter Christoph Eschenbach das Musikvereinspublikum überraschten. Ihr etwas überdramatisierter Charakter passte durchaus zu einem insgesamt pathetisch-pompösen Abend, an dem der Gesamtklang immer wieder zu beachtlichen Phonstärken deutlich jenseits sonorer Noblesse geführt wurde.

Esa-Pekka Salonen ist ein seltener Gast am Pult der Wiener Philharmoniker. Aus gesundheitlichen Gründen hatte er die Termine des achten Abonnementkonzerts am Wochenende und die Festwochen-Vorwegnahme am Freitag abgesagt, worauf das Orchester Christoph Eschenbach als Einspringer holte.


Famose Batiashvili. Unter den derzeit bevorzugten Philharmoniker-Dirigenten findet sich wohl keiner, der von Salonens Stil- und Klangvorstellungen weiter entfernt wäre als der 76-jährige Deutsche: Legt der sportive Finne Wert auf Transparenz, Tempo, Geschmeidigkeit, regierten nun epische Breite, ein Hang zu eingedickter Lineatur und überlaute Steigerungen. Ob Beethovens „Egmont“-Ouvertüre, Brahms oder Schumanns Zweite, alles klang auf die gleiche Weise aufschneiderisch wuchtig und dadurch ermüdend – wobei der Kraftaufwand zwar nicht die Wirkung auf das Publikum, wohl aber den Eindruck erhabener Größe verfehlte. Bewundernswert, wie sich die famose Lisa Batiashvili bei Brahms mit glühend intensivem Ton auf diese Tour de force einstellte und, soweit in der so zugespitzten Lesart möglich, auch Leichtigkeit und Lyrik zu ihrem Recht verhalf.

Festwochen

Im Musikverein spielen die Wiener Philharmoniker im Rahmen der Wiener Festwochen: Am 7. Juni dirigiert Semyon Bychkov (Bizet, Poulenc, Strauss), am 14. Juni dirigiert Yannick Nézet-Séguin (von Webern, Bruckner).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2016)

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