Schillernde Blumen des Bösen

(c) Clemens Fabry
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Das Orchestre National du Capitole de Toulouse widmete sich im Musikverein der französischen Musik.

Das Orchestre National du Capitole de Toulouse zeigt Flagge bei seinem Festwochen-Gastspiel dieser Tage im Musikverein. Zählt man die Schöpfer der Zugaben mit, fanden sich sogar fünf französische Komponisten des 19. und 20. Jahrhunderts im Programm, denn vor der Pause ließ Cellist Gautier Capuçon auch noch Camille Saint-Saëns' „Schwan“ aus dem „Karneval der Tiere“ in majestätischer Entrücktheit über das imaginäre Wasser gleiten, und am Ende des Abends verzauberte Bizets lyrisches Vorspiel zum dritten „Carmen“-Akt (bevor dann auch noch das populäre Prélude in etwas forciertem Tempo ebensolche Jubelstürme erntete).

Dabei erwies sich dieser umfangreiche Auftakt des Wiener Gastspiels am Samstag als fast allzu gemischt, aber durchaus beziehungsreich ersonnen. Dafür stand Tugan Sokhiev ein, nebenbei auch noch Chef des Deutschen Symphonieorchesters Berlin und des Bolschoi-Theaters Moskau. 2008 hat der jetzt 38-jährige Russe in Toulouse als Chefdirigent das Erbe von Michel Plasson angetreten, der das Orchester über 35 Jahre geprägt und seinen Ruf gefestigt hatte.

Sokhiev als lächelnder Animator

Am Pult der in allen Gruppen nobel tönenden Franzosen erwies sich Sokhiev wechselweise als lächelnder Animator, stiller Genießer – und auch als aufmerksamer Begleiter. Verblüffend, wie klar die Verbindungslinien zutage traten zwischen Debussys „La Mer“ und dem Cellokonzert „Tout un monde lointain . . .“, in dem sich Henri Dutilleux 1970 von Baudelaires „Fleurs du Mal“ hatte inspirieren lassen: Gautier Capuçon führte als Solist das vielfach introvertierte, poetisch nachsinnende Geschehen mit wo immer möglich sonor singendem, hoch differenziertem Ton an, das Orchester umgab ihn mit irrlichternden Klangkaskaden.

Deren Vorläufer durften dann bei Debussy opulent schillern. Auch hier schien Sokhiev nichts dem Zufall überlassen zu haben. In etwas breiterem Tempo kam jedes Detail liebevoll modelliert zu seinem Recht, auch farblich wirkte alles penibel aufeinander abgestimmt. Vielleicht war es die unausweichliche Schattenseite dieser Exaktheit, dass Spannung und Kohärenz bei diesem heiklen Werk insgesamt etwas litten. Koloristisch ausnehmend schön und effektvoll gerieten die extrovertierten Rahmenteile des Abends, Berlioz' Ouvertüre „Le Carnaval romain“ und Strawinskys „Feuervogel“-Suite von 1919 – äußerlich der Heimat des Dirigenten geschuldet, historisch aber gleichfalls untrennbar mit Frankreich verbunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2016)

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