Vier Streiter für ein kostbares Mauerblümchen

Konzerthaus
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Kennen Sie viele Klavierquartette? Drei der besten sind von Brahms – und waren im Konzerthaus zu hören.

Das Klavierquartett ist eine Gattung zwischen den Stühlen – Trios für Klavier und Streicher gibt es in Hülle und Fülle, die selteneren Quintette hört man öfter, denn dazu muss ein Streichquartett lediglich einen Pianisten in seinen Zyklus einladen. Aber Quartette für Klavier, Violine, Viola und Cello? Es gibt zwei herrliche Werke von Mozart, eines von Schumann, drei von Brahms – und man bekommt sie nicht oft vorgeführt, denn die reisenden Trio-Ensembles müssten einen Bratschisten engagieren, bei den Quartetten müsste ein Geiger pausieren . . .

So trivial ist das. Umso schöner, wenn sich vier Weltklassesolisten zusammenfinden, um auf einer Tournee durch wichtige Konzerthäuser die drei Brahms-Trios als Einheit zu präsentieren. Als ein Hörabenteuer besonderer Art, denn Brahms hat gerade in seiner Kammermusik die innigsten – durchaus auch von seelischen Konflikten kündenden Botschaften versteckt. Christian Tetzlaff, Tabea Zimmermann, Clemens Hagen und Leif Ove Andsnes machten im Mozartsaal schon eingangs beim meistgespielten der Quartette (op. 25) klar, dass sie aufs Ganze gehen, die expressiven Zeichen der Musik messserscharf und klar herausarbeiten, klangliche Extremwerte (etwa im erstickt-nervösen Scherzo) ausloten.

Schönbergs Weisheit und Irrtum

Dass Arnold Schönberg recht hatte, wenn er Brahms als den „ersten Modernen“ bezeichnete, wird angehörs solch direkt zupackender Klanganalysen bestürzend deutlich. Ebenso, dass er sich geirrt hat, als er just dieses g-Moll-Quartett für Orchester setzte, weil der Pianist immer „zu laut“ spiele. Andsnes ist – bei bewundernswerter Treffsicherheit auch im rasant genommenen Zigeuner-Finale – niemals zu laut; Schönberg wollte einst „alles hören“ – die Kammermusik-Abonnenten des Wiener Konzerthauses haben diesmal alles gehört; und mehr und Aufregenderes, als sie wohl erwartet hätten. Hoffentlich folgt eine CD-Aufnahme! (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.05.2016)

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