Salzburger Festspiele: Russische Lieder mit Netrebko

(c) EPA (Rolf Haid)
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Primadonnenprominenz und Pianistenglanz bei zwei Liederabenden: Anna Netrebko mit Daniel Barenboim, Magdalena Kozená mit Mitsuko Uchida.

Künstler wollen nicht nur geliebt, sondern auch geschätzt werden. Die Tendenz, künstlerische Ereignisse zu gesellschaftlichen Events umzudeuten, wenn nicht sogar umzufunktionieren, erfüllt einen also mit Sorge. Kaum war der Liederabend von Anna Netrebko angekündigt, haben es manche bereits taxfrei zum (Gesellschafts-)Ereignis dieser Salzburger Festspiele erhoben. Schließlich begann Netrebkos Karriere an der Salzach: 2002 als Donna Anna in „Don Giovanni“. Als Violetta in Verdis „La traviata“ hat sie 2005 diesen Erfolg noch überboten.

Jetzt kam sie nicht als Operndiva, sondern als Liedinterpretin. Dass sie nicht in intimerem Rahmen, sondern im Großen Festspielhaus auftrat, lag nicht nur am großen Publikumsinteresse, sondern auch am gewählten Programm, wenigstens nach der Pause: Bei der Auswahl aus den Liedern Peter Iljitsch Tschaikowskys konnte sie breiten Emotionen freien Lauf lassen, zuweilen mit ebenso überzeugenden dramatischen Akzenten aufwarten. Nikolai Rimskij-Korsakows elegische Romanzen zur Einleitung hätten in kleinerem Rahmen wohl mehr Wirkung entfaltet, ungeachtet dessen, dass seine kunstvoll erdachten Lieder selten Tschaikowskys Niveau erreichen. Im Konzertsaal mitzuerleben, welche Entwicklung das Liedwerk zweier fast gleichaltriger russischer Komponisten genommen hat, führt immer wieder zu spannenden Entdeckungen. Woran auch Daniel Barenboim wesentlich beteiligt war.

Ungeheure Delikatesse

Von den Anstrengungen des Gastspiels mit seinem West East Divan Orchestra unberührt, gestaltete Barenboim den Klavierpart mit ungeheurer Delikatesse, ließ, vornehmlich bei Tschaikowsky, sein eminentes Verständnis von instrumental bestimmter Pianistik aufblitzen, bereitete der bestens vorbereiteten Anna Netrebko einen Teppich, wie er besser nicht hätte sein können. Bald wird es nachzuhören sein: Der Abend wurde live mitgeschnitten, hoffentlich ohne den Applaus, der nach fast jedem Lied aufbrandete, als wäre das Programm nur eine zufällige Aufeinanderfolge einzelner Stücke gewesen, dabei besaß es eine wohl überlegte Dramaturgie, bestimmt von Themen wie Erinnerung, Natur, Träumerei, Glück oder Liebe.

Magdalena Kozená, die laut Gerüchten (mit ihrem Mann Sir Simon Rattle am Pult) einen der nächsten Festspielsommer als Carmen bestreiten wird, präsentierte Lieder im Haus für Mozart. Wie die Netrebko hatte sie prominente Begleitung: Mitsuko Uchida.

Sind Pianisten die besseren Sänger? Zuweilen hatte es hier den Anschein. Unglaublich, was die japanische Pianistin an melodischen und rhythmischen Nuancen herausholte, ohne nur den Anschein zu erwecken, sich in den Vordergrund zu drängen. Höchste Sensibilität und mitreißenden Schwung verband ihre Begleitung von Schumanns Zyklus „Frauenliebe und Leben“, von der Kozená unerwartet spröde, ohne den verlangten weit gespannten Bogen dargestellt. Und nach den „Trois chansons de Bilitis“ sehnte man sich nach der einen oder anderen Debussy-Etüde, obwohl Kozenás detailliert vom Wort ausgehender Ansatz durchaus überzeugte.

Auch bei der einleitenden Purcell-Gruppe (in Benjamin Brittens Klavieradaption) traf die Mezzosopranistin den Tonfall der ausgesuchten „Lovesongs“ meist sehr genau. Weniger vertraut zeigte sie sich mit Alban Bergs expressivem Tonfall, wie ihre zögerlich-scheue Annäherung an dessen „Sieben frühe Lieder“ bewies. Das konnte auch Uchidas meisterlich-stupende Gestaltung des Klavierparts nicht ganz vergessen lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2009)

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