Schweizer mit zu wenig Zeit für Wiener Klassik

Trevor Pinnock
Trevor Pinnock(c) imago/Leemage (imago stock&people)
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Das Kammerorchester Basel, Trevor Pinnock und Rafał Blechacz im Konzerthaus: ein Parforceritt.

Warum hat Mozart für seine drei letzten Symphonien just dieselben Tonarten gewählt wie Haydn für seine ersten drei Pariser Symphonien? Ist diese Trias tatsächlich eine Einheit, wie es Nikolaus Harnoncourt postuliert hat? Das sind Fragen nicht nur für die Musikwissenschaft, sondern auch für die Interpreten, wie der letzte Abend des Symphonie-classique-Zyklus im Konzerthaus demonstrierte.

Auf dem Podium stand mit dem Basler Kammerorchester ein gutes Ensemble, aber nicht mehr. Am deutlichsten zeigten sich seine Schwächen in den langsamen Sätzen – sowohl bei Beethovens zweitem Klavierkonzert als auch bei Mozarts großer Es-Dur-Symphonie KV 543. Nicht nur die Bläser-Streicher-Balance ließ Wünsche offen, auch die Phrasierung.

Keine Vertiefung ins Andante

Aber wirklich Zeit, eine Phrase sorgfältig zu modellieren, einen Moment mit dem Solisten zu gestalten, ließ Dirigent Trevor Pinnock seinen Mitstreitern nicht. Er setzte auf Rasanz, versuchte mit eiligen Tempi zu vertuschen, was seinem Ensemble an Brillanz fehlte. Und sich (bei Beethoven) in ein Adagio oder (bei Mozart) in ein beseeltes Andante zu vertiefen, das wollte er sich diesmal partout nicht gestatten. Als ob es bei diesen Werken einzig und allein darauf ankäme, sie in rasanten Tempi und überakzentuiert zu durchmessen.

Natürlich färbt eine solche Lesart auch auf den Solisten ab: den heute 31-jährigen Rafał Blechacz, Sieger beim Warschauer Chopin-Wettbewerb 2005. Ein blendender Techniker, der seine manuellen Fähigkeiten unaufdringlich zur Schau stellt, etwa in den beiden Ecksätzen des Beethoven-Konzerts. Bei einem weniger überzogenen Tempo als dem, das Pinnock im Finalsatz anschlug, wäre der musikantische Witz, der rhythmische Charme dieses Molto allegro noch deutlicher geworden. Pinnock gab seinem Solisten auch im mittleren Satz zu wenig Gelegenheit, um mit seinem schlanken Ton die reichen Kantilenen auszukosten. Während Blechacz diesen Satz als inniges Herzstück dieses B-Dur-Werks empfand, erschien er Pinnock offenbar nur als blasses Intermezzo.

Mehr routiniert als inspiriert gelang auch Beethovens Ouvertüre zu „Geschöpfe des Prometheus“. Schon hier zeigte sich Trevor Pinnock weniger an Details als an einer von pulsierender Musizierfreude bestimmten, effektheischenden Interpretation interessiert. Knallige Akkorde machten ihm mehr Freude als das subtile Ausschwingen melodischer Gedanken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2016)

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