Burg Gars: Nur Otello selbst ist etwas müde

Alexandra Reinprecht als Desdemona füllt klar und doch zart die Klangkulisse.
Alexandra Reinprecht als Desdemona füllt klar und doch zart die Klangkulisse.(c) Reinhard Podolsky
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Vor aufregender Kulisse, abwechslungsreich beleuchtet, subtil dirigiert: Verdis „Otello“ überzeugt auf der Burg Gars. Der Hauptdarsteller allerdings enttäuscht.

Mit einem Knall und Feuerszungen über der Bühne setzt das Orchester furios ein: eine erschreckende Machtdemonstration. Das Unwetter und die Türken sind geschlagen, nichts kann Otello aufhalten! Wie vom Fahnenmast eines Schiffes herab ertönt vom Turm der Burgruine Gars die Stimme des siegreichen Feldherrn: Michael Babas Tenor klingt aus der Ferne beinah zaghaft. Was wie ein Stilmittel wirken mag, klärt sich, während der Titelheld im Laufe des ersten Akts der Bühnenmitte allmählich näherkommt. Dieser Otello ist längst nicht mehr der unbezwingbare Machthaber, der er gern wäre. Dagegen hilft auch das symbolische Verbrennen der feindlichen Flagge während des „Fuoco di goia“ nicht.
Die lodernden Flammen der Eifersucht hingegen vergiften Otellos Herz und Seele, wirkungsvoll entfacht von Michael Kraus als Jago. Er inszeniert hinterlistig die Intrige zu seinem eigenen Vorteil. Schlangenähnlich hisst er Verdachte, ist überall zugleich am Werk und kanalisiert mit Raffinesse den falschen Informationsfluss.

Nicht nur an Bosheit ist Jago diesmal dem Otello haushoch überlegen, auch gesanglich spiegelt sich in der Garser Produktion das wahre Machtgefälle wider. Wo Kraus selbst mit nur halb geöffnetem Mund und mit gebleckten Zähnen das Geschehen und das Orchester dominiert, sucht Baba vor allem in den Höhen vergeblich nach Kraft. Matt (wenn auch keineswegs blass!) wirkt sein schlecht geschminkter Otello, ausgelaugt von den Strapazen des gewonnenen Krieges und der beschwerlichen Reise.

Im Rahmen der perfekt arrangierten Kostümierung von Luca Dall'Alpi fällt Otellos loser Stiefel besonders ins Auge. Dafür glänzt Alexandra Reinprecht in mehreren an der Mode der Shakespeare-Zeit orientierten, pompösen Roben. Als Desdemona schafft sie es mit scheinbarer Leichtigkeit, auch trotz der von Verdi so häufig geforderten Pianissimi, klar und dennoch zart die Klangkulisse zu füllen. Schwierig sind schließlich die akustischen Gegebenheiten in Gars. Bühne und Tribüne stehen einander nahezu parallel gegenüber, dazwischen quetscht sich rechts eine überdachte Orchesternische, mehr zur Bühne als zum Publikum gewandt.

Ohne technische Verstärkung

Dennoch gelingt es Johannes Wildner in seiner Doppelrolle als Intendant und Dirigent, den instrumentalen Klangkörper bis ins Detail perfekt anzupassen. Die Klangvereinigung Wien präsentiert sich, wie auch die Sänger, ohne technische Verstärkung und höchst facettenreich. Vom rasenden Aufwallen Otellos bei Ankunft der Venezianer bis zum intimen arabischen Nachtlied Desdemonas unter Führung des Englischhorns gelingen die musikalischen Nuancen prächtig.

Dass die – übrigens recht fehlerhaften – deutschen Übertitel während der hier besprochenen zweiten Aufführung (am 19. Juli) nach dem ersten Akt gänzlich ihren Dienst versagten, hatte durchaus positive Aspekte. Das Publikum konnte sich fortan besser auf das Geschehen fokussieren, in dem jede noch so kleine Handlung bedeutsam werden kann. Geschickt und dem Anschein nach ohne großen Aufwand modelliert Michael McCafferys Regie auf der Bühne von Asim Dzino einerseits die perfiden Machenschaften Jagos, andererseits die gewaltigen Massenszenen.

Abwechslungsreich beleuchtet Harald Michlits das Geschehen. Er macht nicht nur von gleich mehreren Feuerstellen Gebrauch, sondern gibt auch den Charakteren unterschiedliche Farbschattierungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2016)

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