Lehár-Festival: Ohrwürmer und sinniger Unfug

Illia Vierlinger (Midili Hanum), Josef Krenslehner (Liftboy), Gerhard Balluch (Müller sen.), Hannah Tischler (Baptist) und Thomas Zisterer (Fridolin, von links) in „Die Rose von Stambul“
Illia Vierlinger (Midili Hanum), Josef Krenslehner (Liftboy), Gerhard Balluch (Müller sen.), Hannah Tischler (Baptist) und Thomas Zisterer (Fridolin, von links) in „Die Rose von Stambul“(c) Foto Hofer, Bad Ischl
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Leo Falls Operette „Die Rose von Stambul“ wird in Bad Ischl wunderbar wiederbelebt. Auch „Die Fledermaus“ bietet Schwung und sichere Pointen.

Michael Lakner, Intendant des Lehár-Festivals, übersiedelt im kommenden Jahr nach Baden – und wenn es ihm gelingt, etwas von dem frischen Wind, den er in Ischl wehen ließ, Richtung Osten zu lenken, dann besteht Hoffnung für die in Sachen Operette mittlerweile sträflich unterdotierte Wiener Region.

Wobei der Genius Loci Lehár heuer in Ischl nur mit einer halb konzertanten Produktion der Rarität „Die Juxheirat“ am 13. August auskommen muss (für 2017 plant Lakner noch eine neue „Lustige Witwe“ als Einstandsgeschenk für seinen Nachfolger). Bis 4. September 2016 sind hingegen schwungvolle Produktionen der „Rose von Stambul“ und der „Fledermaus“ zu erleben. Michaela Ronzoni verlegt Letztere in die Zwanzigerjahre, erläutert aber schon während der Ouvertüre in einem szenischen Spiel die Vorgeschichte der Handlung.

Im Übrigen läuft die von Eisenstein Matjaž Stopin?ek und vor allem von Drahtzieher Falke, Tobias Greenhalgh, dominierte Aufführung temporeich nach Plan, den sicheren Pointen fügt Oliver Baier als Frosch noch einige aktuelle Fußnoten hinzu. Alice Waginger gibt ein temperamentvolles Stubenmadel-Springinkerl, und für die Heroinen-Aspekte der Rosalinde ist dank Regina Riel gesorgt.

Vollends gelungen ist die Wiederbelebung von Leo Falls „Rose von Stambul“, die 1916 unter weiß Gott anderen politischen Umständen geboren wurde. Ischls Intendant konnte, als er das Werk auf das Programm setzte, nicht ahnen, wie es um den europäisch-türkischen Dialog 100 Jahre nach der Uraufführung bestellt sein würde. Das Lachen über den famos sinnigen Unsinn der Verse von Julius Brammer und Alfred Grünwald bleibt den Zuschauern dennoch nicht im Halse stecken, denn Leonard Prinsloo inszenierte so dezent, dass niemand sich provoziert fühlen muss. Die Operettenlust am Unfug bleibt dank perfekt getakteten Timings einen Abend lang ungebremst erhalten.

Leo Falls anarchische Melodienfülle

Leo Falls Melodienzauber siegt nicht zuletzt dank der bemerkenswerten Leistung des feinsinnig differenzierenden Orchesters unter Marius Burkert auf der ganzen Linie: In geradezu anarchischer Fülle reiht der Lehár-Konkurrent ganze Ketten von eingängigen Kantilenen aneinander und krönt sie dann mit unausweichlichen Ohrwürmern. Wo anderen nach spätestens acht Takten die Luft ausgeht, trumpft Fall am Ende einer unendlichen Melodiegeschichte noch – „aber nur ein Walzer muss es sein“ – mit einer Schlusspointe auf. Für dieselbe bringt dann der kraftvolle Tenor Alexandru Badea jeweils noch strahlende Spitzentöne mit. Er serviert aber auch das maliziöse „schade, schade“ im Lied des einsamen Achmed Bey mit Charme, pfeift den Refrain, wie vorgeschrieben, und spielt ihn – als ginge es um Lehárs „Paganini“ – auch noch makellos auf der Geige.

Für die raffinierteren Zwischentöne sorgt die kapriziöse Tochter des Paschas, Maya Boog, die nach höchst ernsthaften Liedprogrammen in Bad Ischl erstmals in eine Operettenrolle schlüpft. Ihr quirliges Soubretten-Pendant ist Ilia Vierlinger – und sie ist eine veritable Entdeckung, frisch, froh, frech verwandelt sie als temperamentvoller Wirbelwind quasi im Koloraturumdrehen Freuden- in Krokodilstränen; und umgekehrt.

Dass Thomas Zisterer an ihrer Seite nicht außer Atem kommt, sagt viel über seine Leistungsfähigkeit. Dosierte er bei seinem Auftritt als Transvestit die Späße noch subtiler – einen guten Witz erzählt man nur einmal –, wäre er perfekt: Immerhin ist es ja in der „Rose von Stambul“ dem Buffo-Pärchen aufgetragen, die wichtigsten Dinge des zwischenmenschlichen Lebens auf den Punkt zu bringen, ob ersten Kuss – „Fridolin, dein Schnurrbart sticht“–, ob erste Ehekrise: „Geh, sag doch Schnucki zu mir“ – „nein, Schnucki, Schnucki, Schnucki sag ich – nicht.“ Einfach schnuckelig.

www.leharfestival.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2016)

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