"Und dann und wann ein weißer Elefant"

SALZBURGER FESTSPIELE 2016: FOTOPROBE ´DIE LIEBE DER DANAE´
SALZBURGER FESTSPIELE 2016: FOTOPROBE ´DIE LIEBE DER DANAE´(c) APA (BARBARA GINDL)
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Die "Liebe der Danae" bei den Salzburger Festspielen oder: Wie man ein unspielbares Stück spielt.

Richard Strauss' vorletzte Oper, "Die Liebe der Danae" spielt in der Salzburger Festspielgeschichte eine besondere Rolle. Die "öffentliche Generalprobe", die 1944 dem "totalen Krieg" zum Trotz stattfinden durfte, hat Strauss noch erlebt. Die eigentliche Uraufführung, 1952, nicht mehr. Die Oper ist ein Stiefkind des Repertoires geblieben. Es ist freilich nur billig, dass das Festival schon zum 50. Jahrestag der Uraufführung ein Revival wagte; und nun, noch einmal 14 Jahre später, einen weiteren Versuch mit der "Danae" startet.

Es wird, so viel sei gemutmaßt, wieder vergeblich sein. Dieses Werk wird sich im Repertoire nie durchsetzen. Schon deshalb nicht, weil - wie die Protagonisten der aktuellen Produktion im Vorfeld nicht müde wurden zu betonen - Strauss die künstlerischen Anforderungen in geradezu irreale Höhen getrieben hat. Chor und Orchester stehen vor heiklen, haarigen und subtilen Aufgaben; die großen Solopartien sind nahezu unsingbar.

Schon der Jupiter der Uraufführung, Paul Schöffler, musste sich manche Passage transponieren lassen, und die drei geforderten Tenöre - Vertreter dieser Stimmlage behandelte Strauss ja notorisch grausam - haben auch in der "Danae" schwer zu leiden.

Wobei zwei davon im Charakter-Bereich angesiedelt sind und sich in dieser Aufführung darstellerisch und vokal brillant schlagen: Wolfgang Ablinger-Sperrhacke gibt zappelnd und nervös den abgebrannten, von seinen Gläubigern (dem virtuos in harmonischem Durcheinander geifernden Staatsopernchor) geplagten König Pollux. Und Norbert Ernst hat im dritten Aufzug einen hinreißenden, geradezu kabarettistischen Auftritt als Merkur - 
ein altgriechischer Bruder im intriganten Geiste von Wagners Loge; wobei im Text von Joseph Gregor weite Strecken wie eine ungewollte Nibelungen-Persiflage anmuten.

Darunter leidet besonders die Figur des Jupiter, den in Salzburg mit Tomasz Konieczny noch dazu einer der herausragenden Wotan-Interpreten unserer Zeit gestaltet, mit viel Charisma, ausdrucksvollem Parlando, aber doch immer wieder hörbar geplagt von der extremen Tessitura der Partie, die ihm mindestens so zu schaffen macht wie die Tatsache, dass sich die angebetete Danae nicht für ihn, den allmächtigen Gott, sondern für den armen, aber zu menschlicher Liebe fähigen Eseltreiber Midas entscheidet.

Diese an sich anrührende Botschaft vermochte Joseph Gregor dramaturgisch nicht wirklich schlüssig zu vermitteln. Den Entwurf zur Danae hatte einst noch Hugo von Hofmannsthal geschrieben - als Richard Strauss ihn im Gefolge der "Ariadne" gebeten hatte, doch noch ein leichtes, ja operettenhaftes Antiken-Stück zu dichten.

Von der Offenbachiade ist nichts geblieben; nur Regisseur Alvis Hermanis staffiert die weißen Kachelwände seines Bühnenbilds mit bunten Teppichen und knallbunten, weit geschwungenen Orient-Gewändern und Turbanen aus, lässt auch ein Dutzend Tänzerinnen in glitzernden Trikots den Goldregen simulieren, mit dem Jupiter die Geliebte umgarnt.

Aber die Realität von Strauss' Musik nimmt eher den schweren deutschen Musiktheater-Ton des Librettos auf als die romanisch-geistreiche Antikenbeschwörung, die Hofmannsthal im Sinn hatte. Vor allem aber mangelt es dieser Partitur an melodischen Eingebungen und motivischer Prägnanz. Es mögen Situationen berührende Kraft entfalten; die Musik tut es nie. Es klingt, als hätte Strauss mit den ekstatisch leuchtenden, expressiven Augenblicken seiner unmittelbar zuvor komponierten "Daphne" sein Pulver verschossen; wüsste man nicht, dass mit "Capriccio" noch einige bewegende Passagen folgen sollten, man müsste meinen, der reiche musikalische Quell dieses Meisters wäre 1938 versiegt gewesen.

Was in der "Danae" an weiten Gesangsphrasen zu finden ist, scheint kunsthandwerklich fein gesponnenes, aber völlig uninspiriertes Garn, geadelt in Salzburg durch den Edel-Sopran von Krassimira Stoyanova, die wirklich berückend schöne Töne von sich gibt, denen die Dienerin Xanthe (Regine Hangler) im "Gold-Duett" so wenig Paroli bieten kann wie der Midas von Gerhard Siegel. Strauss wünscht sich hier die tenorale eierlegende Wollmilchsau, zu lyrischen wie heldischen Emanationen in allen Lagen begabt; diesen Sänger gibt es nicht. Siegel schlägt sich tapfer, mehr wäre in unserm Opern-Äon von keinem Kollegen zu erwarten.

Den satt strömenden Edelgesang der Stoyanova würdig zu fassen, wagen aber die Philharmoniker unter Franz Welser-Möst im Orchestergraben. Da klingt und schwingt es, surrt und flüstert, schmeichelt und vibriert. Alles ist Farbe, herrlicher Klang, leuchtende Harmonie, euphorisch, aufgeputscht, melancholisch, je nachdem - jede Situation findet ihre malerische Umsetzung; allein es ist eine akustische Orgie ohne Rückgrat, Klang ohne Musik, sozusagen. Nach Fallen des Vorhangs erinnert man sich gewiss an keine einzige kompositorische Sequenz; dafür aber sicher an den großen Elefanten, auf dem Jupiter im ersten Akt einzieht und der im zweiten und dritten Akt wiederkehrt wie das liebgewordene Pendant in Rilkes Karussell.

Auch ein echter Esel, der während der letzten Stunde zweimal über die Bühne geführt wird, bringt Salzburg näher an die Arena di Verona; nur wenn es daran geht, die bescheidene Hütte des armen Midas zu simulieren, muss Salzburg scheitern. Im großen Festspielhaus wird die ärmliche Behausung zur Teppichmufaktur auf geschätzten 600 Quadratmetern; mit dreizehn Webstühlen, an denen tief verschleierte Sklavinnen arbeiten; apropos: das Stück spielt in Syrien. Dass man das einmal missverstehen könnte, hätte anno 1952 noch niemand geahnt . . .

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